Erstellt: Sonntag, 11. September 2011 19:20

Zusammenfassung des Berichts des Datenschutzbeauftragten

 

Am 09. September ist durch den Datenschutzbeauftragten des Landes Sachsen bekannt geworden, dass die massenhafte Funkzellenabfrage (FZA) rechtswidrig war und gegen eine Vielzahl von Gesetzen verstößt. Sein Bericht liest sich wie eine schallende Ohrfeige für Jusitz, Polizeibehörden und Minister. Darin werden auch mangelnder Respekt gegenüber der Versammlungsfreiheit, dem Fernmeldegeheimnis, der Religions- und Pressefreiheit deutlich aufgezeigt.

 

Im Zitat: „Von einer Beanstandung konnte ich nicht nach § 29 II SächsDSG absehen, da das Handeln der Staatsanwaltschaft Dresden und des LKA Sachsen zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte von ca. 257.000 Personen, von denen über 40.000 namentlich ermittelt wurden, führten, sowie die spezifischen Rechte von Abgeordneten, Rechtsanwälten und Journalisten in Ausübung ihrer Tätigkeit unzureichend beachtet wurden. Staatsanwaltschaft und LKA haben damit mangelnden Respekt vor dem Fernmeldegeheimnis […], der Pressefreiheit […], der Religionsfreiheit […] sowie den spezifischen Rechten von Abgeordneten und Rechtsanwälten gezeigt. Ich bewerte dieses Vorgehen als besonders schwerwiegend.“

 

Damit legt der Datenschutzbeauftragte auf 53 Seiten den Beweis für eine Rechtsbeugung und den Gesetzesverstoß durch Polizeibehörden und Staatsanwaltschaft in den Ermittlungen zu Straftaten im Rahmen des 19. Februars 2011 vor.

In kurzer Form fassen wir zusammen, was der Bericht umfassend ausführt.

 

Was geschah...

Nach den erfolgreichen Blockaden von Europas größtem Naziaufmarsch im Februar 2011 wurde durch die Polizeidirektion (PD) Dresden eine Sonderkommission zur Aufklärung von Straftaten wie Landfriedensbruch, Körperverletzung und anderen ins Leben gerufen. Die SOKO 19/2 beginnt ihre Ermittlungstätigkeiten bereits am 28. Februar. Gestützt auf Informationen des Landeskriminalamts Sachsen (LKA) beginnt eine umfassende großflächige FZA in Dresden am 22. Februar. Die PD Dresden erhebt durch Antrag bei der Staatsanwaltschaft Dresden Verkehrsdaten aus Funkzellen von 14 Tatorten in genau beschriebenen Zeiträumen. Laut dem Bericht des Datenschutzbeauftragten war dieser Antrag bereits ausformuliert, von der Staatsanwaltsschaft mit dem Briefkopf des Amtsgerichts Dresden versehen worden und an den zuständigen Richter, der diesen ohne Beanstandungen am 23. Februar unterzeichnete, weitergeleitet worden.

Mit Hilfe dieses Beschlusses wurden 138.630 Verkehrsdatensätze mit 65.645 Anschlussnummern von den Mobilfunkanbietern an die PD Dresden übermittelt.

Aus diesen Daten wurden 460 Telefonnummern ermittelt, die in Gebieten von Straftaten durch häufiges Telefonieren aufgefallen sind. Diese Datensätze, die auf Grundlage von schweren Straftaten erhoben worden sind, flossen auch in andere Strafverfahren ein. So gechehen bei Personen, die sich den Nazis in den Weg gesetzt hatten. Die PD Dresden argumentiert hierbei, dass auch ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz eine schwere Straftat sei. Damit scheint die PD Dresden eine in der Rechtsprechung hochumstrittene Frage beantworten zu wollen.

 

 

Die Rolle des LKA Sachsen

Das Landeskriminalamt Sachsen spielt im Bericht ebenfalls eine bedeutende Rolle und begeht dabei, genau wie die PD Dresden, erhebliche Gesetzesübertritte.

Begonnen hat alles mit einem gegen Unbekannt eingeleitetem Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (§129 StGB) im Frühjahr 2010. In diesem Jahr wurde erstmals der Naziaufmarsch am Neustädter Bahnhof durch 10.000 Menschen erfolgreich blockiert. Am 17.02.2011 regte das LKA Sachsen eine FZA an, die nicht direkt mit dem Demonstrationsgeschehen am 13. Februar 2011 zu tun hatte. Für zwei unterschiedliche Orte wurde eine Abfrage der Mobilfunkdaten bei Providern beantragt und auf gleiche Weise wie bei der PD Dresden vom Amtsgericht noch am selben Tag genehmigt. Weitere FZA's erfolgten auf Antrag am 25. Februar, rückwirkend für den 18. und 19. Februar 2011 für einen Zeitraum von 48 Stunden und eine am 19. Februar 2011 für 4 Stunden. Alle abgefragten Orte lagen nicht in der Nähe des Demonstrationsgeschehens. Die Hauptdatensammlung wurde allerdings am 19. Februar in der Südvorstadt durchgeführt, eingegrenzt durch Straßennamen in einem Zeitraum von 12 Stunden. Hier rief das LKA Sachsen laut offiziellem Bericht Bestandsdaten von 40.000 Personen ab.

Am 14. April 2011 bittet die PD Dresden das LKA Sachsen zur Übermittlung der von ihnen erhobenen Datensätze. Dieser kommt das LKA nach Verfügung der Staatsanwaltschaft Dresden am 25. Mai nach. Wenige Tage vorher schätzte die Staatsanwaltschaft Dresden ein, dass die Verkehrsdaten nicht für Ermittlungen nach § 21 Versammlungsgesetz (Sprengung einer Versammlung) eingesetzt werden dürfen.

Am 09. Juni wurden die 40.000 Bestandsdaten (896.072 Datensätze) an die PD Dresden übermittelt und flossen in die Ermittlungen nach § 21 Versammlungsgesetz ein. Durch eine Presseanfrage der „taz“ wurden die Vorfälle der FZA bekannt. Jetzt erst wurde auch der sächsische Datenschutzbeauftragte durch den Bundesbeauftragten für Datenschutz darauf aufmerksam gemacht. Auf dessen Anfrage wurde bekannt, dass die Datensätze in 76 Verfahren von Beschuldigten abgeglichen und illegal verwendet wurden.

Weiterhin schlüsselt der sächsische Datenschutzbeauftragte in seinem Bericht die Vorgänge im Handydatenskandal sehr gewissenhaft auf. So wurde bei der Kontrolle der Räumlichkeiten der SOKO 19/2 festgestellt, dass sie, neben den eigenen erhobenen Verkehrs- und Bestandsdaten, über die Daten des LKA Sachsen verfügten.

Nach der Veröffentlichung des gemeinsamen Berichtes durch das Sächsische Justizministerium und das Innenministerium Sachsens (24.06.2011), in dem die Verhältnismäßigkeit der durchgeführten FZA erklärt wurde, benachrichtigte die Staatsanwaltschaft Dresden das LKA Sachsen weitere Erhebungen von Bestandsdaten unverzüglich einzustellen. Am 29. Juni erfolge die Rückübermittlung der Bestandsdaten von der SOKO 19/2 an das LKA Sachsen und eine einstweilige Einstellung der weiteren Erhebung von Bestandsdaten. Die SOKO 19/2 übermittelte dem Datenschutzbeauftragten am 07. Juli die Löschung der Datensätze.

Ebenfalls wird im Bericht erwähnt, dass durch die Staatsanwaltschaft Dresden am 13. Juli eine Aufteilung in geographische Bereiche erfolgte. Dort, wo der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen lag, ist bis zum 13.07. die geringste Anzahl an Bestandsdaten erhoben worden. Dies ist vermutlich mit einem mangelnden Reduzierungskonzept des LKA Sachsen in Verbindung zu bringen.

 

 

Fazit

Der Bericht des sächsischen Datenschutzbeauftragten liest sich wie eine Ansammlung von datenschutzrechtlichen Schauermärchen. Trotz der fortwährenden Beteuerung der sächsischen Behörden, auf dem Boden des Gesetzes verhaftet zu sein, kommt man nicht umhin immer öfter an eine organisierte Rechtsbeugungs-Mafia im Zusammenhang mit Sachsen zu denken. Denn bereits seit 2009 erfolgen FZA's in Zusammenhang zu diversen Anlässen. Die Ermittler setzen das Mittel der Funkzellenabfrage mit einer Selbstverständlichkeit ein, die bundesweit ihresgleichen sucht. In allen Fällen ist eine Rechtmäßigkeit der Maßnahme in Frage zu stellen.

Besonders eindringlich schildert der Bericht den Einschüchterungseffekt, der die Methode des "elektronischen Polizeikessels" bereits jetzt bei Demonstrationsteilnehmern zeigt.

Zur Rechtfertigung dieser Methode der Ermittlungsarbeit bemühen die sächsischen Behörden nunmehr Herr Prof. Battis mit der Anfertigung eines wohlwollenden Gutachtens. Der Jurist ist unter erzkonservativen Politikern wegen seiner stringenten Anwendung und Verteidigung der Extremismustheorie ein beliebter argumentativer Steigbügelhalter. Das Ergebnis seines Gutachtens dürfte daher keine Überraschung werden....

Für uns steht jedoch fest, wir werden uns gemeinsam mit Euch nicht durch die rechtswidrigen Methoden einschüchtern und von unserem Ziel abhalten lassen, den Naziaufmarsch zur Geschichte zu machen. So sehr die Selbstverständlichkeit des Protestes in Hör und Sichtweite zu begrüßen ist, genügt sie nicht einen Naziaufmarsch dieser Größe abzuschaffen. Noch weniger lassen wir uns durch die Umtriebe der sächsischen Behörden in gute und böse Demonstranten spalten.

Wir laden Euch zur Aktivierungskonferenz vom 07.10.- 08.10. nach Dresden ein.

Gemeinsam stellen wir uns ihnen entgegen - seien es Nazis, Verfechter der Extremismustheorie oder Repressionsorgane.

 

 

Erstellt: Samstag, 10. September 2011 19:19

Polizei, Staatsanwaltschaft und LKA brechen das Gesetz

Am Freitag, den 9.9.2011, präsentierte der sächsische Landesdatenschutzbeauftragte Andreas Schurig den lang erwarteten Bericht zur Funkzellenabfrage im Zuge von Antinazi-Demonstrationen am 19. Februar 2011. Dabei hatten Staatsanwaltschaft, Justiz und Polizei mehr als 1 Millionen Mobilfunkdatensätze erhoben und mehr als 40.000 Bestandsdaten (also Name, Adresse und Geburtsdatum des Betroffenen) bei den verschiedenen Mobilfunkanbietern abgefragt. Bekanntgeworden war der Handygate-Skandal durch Recherchen der "tageszeitung" (TAZ) aus Berlin.

Mit deutlichen Worten kritisiert der sächsische Datenschutzbeauftragte nun in seinem Bericht die Ermittlungsbehörden. Es sei keine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit zu erkennen, auch wäre den Richtern lediglich eine fertige Begründung der zu genehmigenden Maßnahmen vorgelegt worden, die nur noch unterzeichnet werden musste. Damit sei ein rechtswidriger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Zehntausender vorgenommen worden. Im Ergebnis fordert Schurig u.a. die sofortige Benachrichtigung aller Betroffener. Dabei geht es speziell um die 40.000 den Behörden namentlich bekannten Personen. Auch fordert er engere Richtlinien und die sofortige Löschung unnötiger Datensätze bei sämtlichen Behörden.

Der Datenschutzbeauftragte folgt damit im wesentlichen unserer sowie der Linie der Oppositionsparteien. Während unser zivilgesellschaftliches Bündnis seit Wochen auf die Rechtsbrüche der Ermittlungsbehörden aufmerksam macht und dagegen protestiert, verteidigten Opposition und Staatsanwaltschaft gebetsmühlenartig die begangenen Rechtsbrüche.

Auch am Freitag zeigte sich die Staatsanwaltschaft unbeeindruckt und unbelehrbar. Alles sei rechtmäßig gelaufen, verlautete es aus der Behörde. Die Ignoranz und Unverfrorenheit, die das Vorgehen der Staatsanwaltschaft beschreibt, spiegelt sich auch in einer neuerlichen Welle von Strafbefehlen wider, die Blockiererinnen mit Verweis auf Verstoß gegen das Versammlungsgesetz (§21) zugegangen sind. Wir bitten alle Betroffenen, sich bei unserer Adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zu melden. Wir sichern euch unsere volle Solidarität zu und bieten euch Unterstützung und Hilfe bei der Suche nach einem Rechtsbeistand und Beratung bezüglich des Verfahrens an.

 
 

Erstellt: Donnerstag, 01. September 2011 15:38

Neues aus Absurdistan

Lothar König weiter unter Verdacht

Nachdem die Arbeit der ErmittlerInnen wegen einer fragwürdigen Razzia in der Wohnung und in Diensträumen des Pfarrers Lothar König in Jena wieder einmal massiver öffentlicher Kritik ausgesetzt war, hat nun die Staatsanwaltschaft Dresden erklärt, dass die seit dem 7. Februar 2011 (!) andauernden Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen den Pfarrer vorerst eingestellt werden sollen. Dies geschieht nicht, weil sich die Staatsanwaltschaft einsichtig zeigt und die Vorwürfe für haltlos erklärt, sondern weil sie in einem Verfahren wegen aufwieglerischen Landfriedensbruch, Nötigung und Strafvereitelung, wie sie meint, eine höhere Strafe erwartet. Am Dienstag strahlte das ZDF Polit-Magazin ‚Frontal21‘ einen Beitrag über den Jenaer Pfarrer aus, in dem auch Videomaterial vom 19. Februar zu sehen war. Darin wird klar, dass der Pfarrer deeskalierend auf DemonstrantInnen einwirkt. Jan Hille, stellvertretender Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, bekundet trotzdem öffentlich, dass Lothar König zu sechs Monaten Haft verurteilt wird. Damit macht er deutlich, wie die Dresdner Staatsanwaltschaft zur Neutralität, Unvoreingenommenheit, Gewaltenteilung und Unschuldsvermutung steht. Daneben diffamiert sie einen anerkannt engagierten ehemaligen DDR-Dissidenten, ohne Beweise vorzulegen. Mithin ist klar, dass die Ermittlungen gegen Pfarrer König wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor allem dazu dienten, anderes Belastungsmaterial zu finden. Der §129 gilt bei Kritikern bekanntlich als reiner Schnüffelparagraph.

 

Politische Verantwortung existiert in Sachsen nicht

Am 29.8.2011 wurde öffentlich bekannt, dass gegen den Anwalt André Schollbach, Fraktionsvorsitzender der Linken in Dresden, wegen Weitergabe eines Dokumentes ermittelt wird. Der Anwalt erfuhr davon nicht etwa offiziell von den Behörden, sondern wie viele andere Beschuldigte auch, aus der Presse. Dabei geht es um ein Schriftstück, das den Einsatz von IMSI-Catchern am 19. Februar belegt. Das sind Geräte, mit denen man Funkzellen simulieren kann. Dabei wird Mobiltelefonen durch den IMSI-Catcher ein Phantomnetz angeboten, in welches sie sich einloggen. So kann man Nummern des Anrufers und Angerufenen speichern, SMS samt Inhalten abfangen und Gespräche abhören. Im Juni hatte Sachsens Innenminister Markus Ulbig noch erklärt, dass solche Geräte nicht eingesetzt wurden. Danach musste er zugeben, die Unwahrheit gesagt zu haben. „Nach westdeutschen Maßstäben könnte das […] ein Rücktrittsgrund sein“, schrieb die Süddeutsche Zeitung am Montag. In Sachsen „nutzt man lieber die Gelegenheit, Kritiker ruhig zu stellen“, heißt es weiter. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft jedenfalls bezeichnet André Schollbach als „völlig absurd“. Für ihn „geht es dabei vor allem um Einschüchterung und Verunsicherung“. Warum die Staatsanwaltschaft ihn verfolgt, darüber lässt sich leicht spekulieren. Er vertritt die LINKE bei einem Verfahren bezüglich der gewaltvollen Razzia im „Haus der Begegnung“ am 19. Februar 2011 in Dresden. Dabei hatten SEK-Einheiten Büros zweier Vereine, eine Anwaltskanzlei, die Büroräume der Partei die LINKE in Dresden und eine Privatwohnung ohne gültigen Durchsuchungsbeschluss gestürmt, willkürlich Material beschlagnahmt und mehr als ein Dutzend Personen unter teils unwürdigen Bedingungen in Gewahrsam genommen. Nach einem ersten Beschluss des Dresdner Landgerichtes musste Sachsen bereits mehrere tausend Euro Schadenersatz für Reparaturkosten bezahlen, die durch die Zerstörungen der SEK-Einheiten entstanden waren.

 

Städtischer Strategiewechsel

Am Montag startete die Stadt Dresden in Person des Ordnungsbürgermeisters Detlef Sittel eine neue Charmeoffensive. Fehler im Vorfeld des 19. Februars wurden zugegeben. So hätte man den Gerichten zu wenig Zeit gelassen, den ausgerufenen polizeilichen Notstand als Begründung für ein Verbot der NPD-Demonstrationen zu prüfen. Doch an dieser Stelle endete bereits die Selbstkritik. Keine Rede vom aggressiven Vorgehen gegen zivilgesellschaftliche Aktionen und das Bündnis „Nazifrei! – Dresden stellt sich quer“ im Vorfeld des 13. Februars. Der Mahngang „Täterspuren“ zum Beispiel wurde verboten. Detlef Sittel verweigerte im Vorfeld des 13. Februars die Antwort auf intensive Nachfragen der Dresdner Bürgerschaft im Schauspielhaus, die das Vorgehen ohne Begründung nicht hinnehmen wollte. Der Mahngang wollte nationalsozialistisches Wirken in Dresden öffentlich darstellen, um dem Gedenken an die Zerstörung Dresdens seine geschichtsrevisionistischen Züge zu nehmen. Auch keine Rede von unmöglichen Auflagen und einem weitreichenden Trennungskonzept am 19. Februar selbst, dass Räume für einen angemessenen Protest schloss, anstatt sie zu öffnen, und damit maßgeblich zur Dramatisierung der Lage beitrug und ein aggressives Vorgehen der Polizei bereits in den frühen Morgenstunden geradezu erzwang. Jetzt geht man auf Kuschelkurs. Ein breiter Protest soll es sein, mindestens 50.000 DemonstrantInnen sollen gegen Nazis mobilisiert werden, am liebsten zu einer großen machtvollen, zentralen Kundgebung mit einem prominenten Redner. Über Proteste in Hör- und Sichtweite wird gesprochen. Wir fragen uns allerdings ernsthaft, wie die Stadt 50.000 Menschen mobilisieren will, nachdem Behörden und Staatsanwaltschaft mit Razzien, Handyschnüffeleien, Festnahmen, Verfahren gegen missliebige Anwälte, Pfarrer, PolitikerInnen und DemonstrantInnen für eine massive Einschüchterung gesorgt haben. Wer wird nach diesen Grundrechtsverletzungen noch den Mut aufbringen, sich gegen Nazis zu engagieren? Vorstellbar ist natürlich, dass die Stadt mit ihrem öffentlichen Engagement den TeilnehmerInnen quasi eine Rechtsschutzversicherung anbietet. Schließlich gab sich auch Herr Sittel alle Mühe, DemonstrantInnen in die Kategorien ‚gut‘ und ‚böse‘ zu unterteilen. Unklar blieb bei seinen Aussagen nur, ob die vielfach für ihr zivilgesellschaftliches Engagement gelobten BlockiererInnen für ihn jetzt gewalttätige Linksextremisten sind, oder nicht? Diese Frage jedenfalls hätte das Bündnis ‚Dresden Nazifrei‘ gerne noch beantwortet gesehen.

 

Linksammlung

Frontal21 - Bericht über Lothar König
http://www.youtube.com/watch?v=ClzdwaEDM6A&feature=player_embedded

Mehr Infos auf den Seiten der Jungen Gemeinde Jena Mitte: http://jg-stadtmitte.de/

 

Ermittlungen gegen André Schollbach:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2849783

 

Detlef Sittel im Vorfeld des 13. Februars:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2685554

 

Strategiewechsel der Stadt:
http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/SACHSEN/Dresden-zieht-Lehre-aus-Krawallen-bei-Februar-Demonstration-artikel7743492.php

 
 

Erstellt: Donnerstag, 18. August 2011 15:39

Jenas OB Albrecht Schröter mit offenem Brief an Stanislav Tillich


Mit einem offenen Brief hat sich Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) an den Sächsischen Ministerpräsidenten Stanislav Tillich (CDU) gewandt. Dabei kritisiert er das Vorgehen der sächsischen Ermittlungsbehörden, dass bei gegen Nazis engagierten Menschen den Eindruck einer gezielten Kriminalisierung erwecken muss und läd Tillich zu einer Podiumsdiskussion ein, die Klarheit zu den Intentionen der sächsischen Landesregierung bringen soll.

Wir geben an dieser Stelle den vollen Wortlaut des Briefes wieder:

 

"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

als Oberbürgermeister der Stadt Jena wende ich mich an Sie, um die Fragen vieler Bürger meiner Stadt an die sächsische Landesregierung zu artikulieren. Wie Sie sicher wissen, hat die Staatsanwaltschaft in Dresden einen richterlichen Durchsuchungsbefehl gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König erwirkt und am 10. August etwa 20 Polizeibeamte in unsere Stadt geschickt, um die Hausdurchsuchung durchzuführen. Diese Aktion hat nicht nur Aufsehen erregt, sondern auch für nachhaltigen Unmut gesorgt.

Um nicht missverstanden zu werden: Niemand bestreitet das Recht des Staates und die Notwendigkeit, mögliche Straftaten aufzuklären, zu untersuchen und zu verfolgen. Insofern geht es mir in diesem Brief nicht in erster Linie um Pfarrer König. Es geht um das Signal, das viele engagierte Bürger in der Vorgehensweise der sächsischen Staatsanwaltschaft zu erkennen glauben, und um die Frage, welche Position die sächsische Landesregierung in dieser Frage bezieht. Die Freiheit der Justiz ist nicht nur unumstritten (und wer wüsste dies besser zu schätzen als wir, die wir in der ehemaligen DDR eine staatlich gelenkte Justiz erlebt haben), sie ist ein hohes Gut – das steht außer Frage. Aber welche Intention eine Staatsanwaltschaft im Grundsatz mit der Art ihres Herangehens verfolgt, dürfte nicht unabhängig von den Intentionen des Justizministers sein. Insofern drängt sich die Frage auf, welche grundsätzliche Position die Landesregierung in den nachfolgend formulierten Fragen einnimmt.

 

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Erstellt: Montag, 15. August 2011 14:41

Solidarität mit Lothar König

Letzte Woche wurden durch sächsische Polizeieinheiten die Wohnung und das Dienstzimmer des Pfarrers der Jungen Gemeinde Jena, Lothar König, durchsucht. Dabei wurden ohne Rücksicht auf das Seelsorgegeheimnis und ohne Absprache mit den entsprechenden Behörden des Landes Thüringen und der evangelischen Kirche der Computer, CDs und das Fahrzeug der Jungen Gemeinde beschlagnahmt und nach Sachsen überführt. Dies geschah unmittelbar nach einem Bericht des Spiegels, in dem sich Lothar König kritisch zu den Ermittlungsmethoden und zur Kriminalisierungskampagne der sächsischen Behörden und Landesregierung geäußert hatte. Unter anderem kritisierte er die weitreichende Ausspitzelung, der er und viele andere als Beschuldigte in einem „Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ausgesetzt sind. Eine Woche später bekam er die Quittung, als früh um sechs bewaffnete Polizisten in seine Wohnung eindrangen.

Die auffällige zeitliche Nähe zwischen dem Spiegel-Bericht und dem folgenden Polizeieinsatz verweist darauf, dass hier offensichtlich Kritiker mundtot gemacht werden sollen, indem man sie mit absurden Tatvorwürfen diffamiert. So wird einem Pfarrer, der seit Jahren deeskalierend auftritt nun plötzlich aufwiegelnder Landfriedensbruch vorgeworfen. An dieser Stelle erklärt das Bündnis „Nazifrei! – Dresden stellt sich quer“ mit vollem Nachdruck seine Solidarität und Unterstützung für Lothar König und die Junge Gemeinde Jena. Wir stehen eng an der Seite der Betroffenen im gemeinsamen Kampf gegen Nazis und rechtes Gedankengut, aber auch im Kampf gegen Kriminalisierung und Repression antifaschistischen Engagements.

 

Massive Kritik von allen Seiten – CDU / FDP Sachsen geben sich empört

In den letzten Tagen hagelte es massive Kritik an dem Polizeieinsatz von Seiten der Opposition und der SPD Thüringen, außerdem von Seiten der Kirchen und Gewerkschaften. Sie kritisieren die Kriminalisierung, die Geheimniskrämerei, sowie den Eingriff in besonders geschützte Bereiche des Seelsorgegeheimnisses eines Pfarrers. Dagegen bagatellisieren Vertreter der Regierungskoalition in Sachsen und der Staatsanwaltschaft Dresden das Vorgehen, antworten mit unerträglichen Vergleichen der Zivilgesellschaft mit Rechtsradikalen (Oberstaatsanwalt Jan Hille, Dresden) und schweigen ansonsten zu den Vorwürfen und Kritikpunkten. Noch immer bezieht die Regierung in Sachsen nicht Stellung zu den rechtswidrigen Eingriffen der Behörden in Sachsen und noch immer fehlen jegliche Ansätze zur Selbstkritik oder etwa personelle Konsequenzen. Noch immer wird das Vorgehen der Behörden nicht unabhängig untersucht.

Wir werden uns davon nicht spalten lassen und wir werden auch nicht schweigen und still halten wenn die Grundrechte die Elbe hinabfließen und die offensichtlichen Missstände in Sachsen nun auch noch auf andere Bundesländer übertragen werden sollen. Wir bleiben solidarisch zueinander im Kampf gegen Nazis und gegen jegliche Kriminalisierung unseres Engagements.