Erstellt: Donnerstag, 13. Oktober 2011 14:47

Juristische Erfolge und politische Hetze

Neuigkeiten und Stellungnahmen zu folgenden Themen:

Gericht erklärt Erstürmung des Pressebüros von Dresden-Nazifrei für illegal +++ Auch Verhaftungen im Büro waren rechtswidrig +++ Prozesse gegen Blockierende wegen Rechtsunklarheit ausgesetzt, Zeugen bestätigen friedliche Sitzblockaden +++ FDP gibt Würde auf und hetzt offen gegen das Bündnis +++ Regierungskoalition hebt gemeinsam mit der NPD die Immunität von André Hahn auf +++ Erneute "ausufernde" Razzien in Berlin

 

Stürmung des Pressebüros von Dresden-Nazifrei illegal

 Wie bekannt stürmte am Abend des 19. Februars 2011 ein Sondereinsatzkommando unter Beteiligung des Landeskriminalamtes Sachsen das Haus der Begegnung in der Großenhainer Str. 93 auf martialische Art und Weise. Mit Kettensägen und Rammböcken verschafften sich die vermummten und bewaffneten Beamten Zutritt zu verschiedenen Räumen u.a des „Roten Baum e.V.“, einer Anwaltskanzlei, einer Privatwohnung, Räumen der Linkspartei und eines weiteren Vereins. Sie nahmen dabei eine größere Anzahl von Personen fest und beschlagnahmten Rechner und Datenträger. Die Betroffenen mussten sich bis auf die Unterwäsche ausziehen und verbrachten die Nacht in einer Zelle.

In den Büros der Linkspartei hatten wir provisorisch unser Presse-Büro eingerichtet. Offensichtlich sollte die Erstürmung das Bündnis einschüchtern und Betroffene mundtot machen. Dabei war es den Ermittlungsbehörden egal, dass ihr Einsatz rechtlich nicht gedeckt war. Die erfolgte mündliche Anordnung einer Richterin verwies auf eine andere Adresse. Nachdem die Partei DIE LINKE gegen die Erstürmung geklagt hatte, ist jetzt auch juristisch durch das Dresdner Landgericht bestätigt worden: Die Durchsuchung des Pressebüros in den Räumen der Linkspartei war rechtswidrig und damit illegal.

Wir freuen uns über dieses Urteil, weil es einmal mehr juristisch untermauert, dass die Ermittlungsbehörden in Sachsen bei ihrer Hexenjagd nach engagierten antifaschistischen BürgerInnen gerne auch zu rechtswidrigen Methoden greifen. In ihrem blinden Eifer werden die Ermittler nun hoffentlich weiterhin von der Justiz gebremst. Neue rechtliche Schritte behalten wir uns jedenfalls vor.

 

Prozesse gegen Blockierer_innen vor dem aus?

Am Montag, den 10. Oktober, sollte nun auch der erste Prozessgegen einen Blockierer stattfinden. Ihm wird nach §21 Versammlungsgesetz vorgeworfen, rechtswidrig die Nazidemo blockiert zu haben. Nach einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das von der Partei DIE LINKE in Auftrag gegeben wurde, ist nun aber genau jenes Versammlungsgesetz nicht anwendbar, da es das sächsische Verfassungsgericht im April 2011 für rechtswidrig erklärte.

Wir erinnern uns: Pünktlich vor den Blockaden gegen 7.000 Nazis im Februar 2010 peitschte genau jene sächsische Landesregierung aus CDU und FDP, die nun massiv gegen engagierte antifaschistische BürgerInnen polemisiert ein neues Versammlungsgesetz durch, das anerkanntermaßen von Anfang an auf rechtlich fragwürdigen Füßen stand. Mit der Entscheidung vom April erklärten die sächsischen Richter schließlich das verabschiedete Gesetz rückwirkend ab Januar 2010 für rechtswidrig. Damit ist die von vornherein juristisch fragwürdige Konstruktion der Dresdner Staatsanwaltschaft hinfällig.

Bleibt die Frage offen, warum die Ermittlungsbehörden nicht bereits nach der Entscheidung im April ihre nun definitiv rechtswidrigen Ermittlungen stoppten? Offensichtlich sollten Einschüchterung und Bedrohung weiter aufrecht erhalten werden. In Sachsen gilt weiterhin nur die Meinung der Regierung. Personen, die anderer Ansicht sind werden wahlweise kriminalisiert, verleumdet oder mit Strafverfahren überzogen. Handygate, illegale Hausdurchsuchungen, verbale Entgleisungen und die Konstruktion der Extremismustheorie sprechen eine deutliche Sprache.

Deshalb geht die Aussetzung des Prozesses längst nicht weit genug. Alle anhängenden Verfahren müssen sofort eingestellt und sich bei den Betroffenen öffentlich entschuldigt werden. Dass letzteres nicht passieren und ersteres so lange als möglich hinausgezögert wird, ist uns allen sicherlich klar. Einschüchtern lassen müssen wir uns davon jedenfalls nicht. Andere Urteile werden folgen. Vielleicht sieht sich die Dresdner Staatsanwaltschaft dann endlich veranlasst, auf den Boden des Rechts und Grundgesetzes zurück zu kehren.

 

 André Hahn ohne Immunität vor dem Freispruch. Verbale Brandsätze der FDP gegen das Bündnis

Am frühen Mittwoch Abend stimmten CDU und FDP gemeinsam mit der NPD für die Aufhebung der Immunität von André Hahn. Damit, so ihre Erklärung, machten sie den Weg frei für eine unabhängige Klärung der Vorwürfe, denn, so hieß es weiter, nicht der Landtag sei der Ort für die Frage der Schuldigkeit, sondern „unabhängige Gerichte“. Doch die Entscheidung der Regierungskoalition blieb mit massiven Zweifeln behaftet. Warum wird ausgerechnet der Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE als einzige Person juristisch verfolgt? Warum wird er bei offensichtlich dünner Beweislage und fragwürdiger Rechtskonstruktionen überhaupt noch verfolgt? Und warum suchen die beiden Regierungsparteien ausgerechnet in dieser Frage den Schulterschluss mit den Nazis von der NPD?

Antwort liefert Benjamin Karabinski, innenpolitischer Sprecher der sogenannten „Freien Demokratischen Partei“ im sächsischen Landtag. Karabinski ist sich in seiner Würde nicht zu schade, die unsägliche Bild-Kampagne der letzten Wochen aufzugreifen und inhaltlich völlig verfehlt Gewalttaten heraufzubeschwören. Anlass ist für ihn das von uns, nicht von der TU Dresden, abgesagte Blockadetraining, bei dem es um deeskalierendes Verhalten gehen sollte und eben nicht um Gewalt in welcher Form auch immer. Offensichtlich gefällt sich die FDP ebenso wie die CDU in ihrer verbalen Kampfmontur , inhaltliche Seifenblasen zu produzieren, die mit der Wirklichkeit ebenso viel zu tun haben, wie die Funkzellenauswertung mit der Rechtmäßigkeit. Das gefährliche: Schon jetzt erzeugen die Regierungsparteien mit ihren verbalen Brandsätzen ein Klima der Angst und Eskalation. Wer solch gesellschaftliche Rahmenbedingungen erzeugt, dem kann man auch unterstellen, dass er jegliche Gewalt am Ende unter der Hand für den eigenen ideologischen Feldzug willfährig nutzen möchte. Die Aberkennung der Immunität Hahns passt dabei in das Bild vom Antifaschisten als Schmuddelkind, das hier offensichtlich gezeichnet werden soll.

 

 Erneut Razzien gegen Blockierer_innen

Nach Sachsen, Jena und Stuttgart hat die sächsische Staatsanwaltschaft unter Leitung des Staatsanwaltes Wagner erneut Wohnungen gestürmt. Diesmal in Berlin. Dabei stürmten die Ermittlungsbehörden in einem Fall nicht nur die Wohnungen zweier Verdächtiger im Hinterhaus, sondern gleich alle im Häuserblock befindlichen Wohnungen. Eine Taktik, die Wagner bereits am 19. Februar 2011 bei der Erstürmung des Hauses der Begegnung anwendete und deshalb von Gerichten abgestraft wurde. Einmal mehr zeigt sich, dass die ideologischen Rammböcke in den Dresdner Ermittlungsbehörden nicht vor offenen und bereits bestätigten Rechtsbrüchen zurückschrecken, wenn es um die Einschüchterung antifaschistischen Engagements geht. Es zeigt aber auch die zunehmende Sorge vor dem berüchtigten Einsturz des so sorgsam aufgebauten Kartenhauses. Noch immer liegen keine Untersuchungsergebnisse bezüglich des 19. Februars vor. Und das, obwohl die Ermittlungsbehörden mit Rückendeckung der Regierung Grundrechte erfolgreich ignorieren konnten. Jedem beteiligten Ermittlungsbeamten ist mittlerweile klar, dass nur noch Resultate das Image der Behörden aufbessern können. Deshalb wird munter weiter gestürmt, abgehört, spioniert, ermittelt, obwohl den Beteiligten wahrscheinlich längst klar ist, dass sie sich in ihrer eigenen Ideologie verrannt haben und die Einstellung der Ermittlungen längst überfällig ist. Doch „Sachsens Demokratie“ würde ihren Namen nicht verdienen, wenn diese Einsicht tatsächlich erfolgen würde. Lernprozesse werden in Sachsen wahrscheinlich nur durch entsprechende Gerichtsurteile angestoßen.

 

Links:

 Zur Erstürmung des Hauses der Begegnung:
http://rico.linkeblogs.de/2011/10/gericht-hat-entschieden-durchsuchung-der-buroraume-der-linken-am-19-02-2011-war-rechtswidrig%c2%a0/#more-534

·http://www.youtube.com/watch?v=8REOlNTinOU