Erstellt: Donnerstag, 13. November 2014 21:34

No PEGIDA! Gegen jeden Rassismus und religiösen Fanatismus!

„Von Gutmenschen als Nasie [sic!] bezeichnet zu werden, wird immer mehr zur Auszeichnung, anstatt noch als Beschimpfung wahrgenommen zu werden.“
(Auszug aus einem facebook-Posting von Siegfried Daebritz II vom 13. Oktober)

Seit einigen Wochen findet allwöchentlich montags eine stetig wachsende Demonstration von Menschen in der Dresdner Altstadt statt, die sich mittlerweile unter dem Kürzel PEGIDA zusammen finden. PEGIDA steht dabei für „Patriotische Europäer Gegen Islamisierung Des Abendlandes“. Der Ursprung war wohl eine Beobachtung einer pro-kurdischen Demonstration als Unterstützung für die Kämpfenden in Kobane Anfang Oktober 2014 in Dresden. Daraus zog der Hauptinitiator Lutz Bachmann und eine ihm langjährig nahe stehende Gruppe von ca. 12 Personen die abstruse Schlussfolgerung, dass die „Glaubenskriege“ des Nahen Ostens nun auf Dresdens Straßen ausgetragen werden würden. Alle Organisator_innen sind miteinander über die Hooliganszene, Rockerszene oder die extrem rechte Szene vernetzt. Auch lassen sich Bezüge zur bundesweiten HoGeSa-Bewegung herstellen.

Schnell nach der Pro-Kobane-Demo wurden auf Facebook eine zunächst offene, mittlerweile geheime Gruppe gegründet, ursprünglich unter „Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Später folgte noch eine offene Seite auf facebook unter PEGIDA. Die spätere Ersetzung von „Friedlich“ durch „Patriotisch“ ist bereits ein erstes Indiz für die tatsächliche, völkisch-nationalistische und rassistische Ausrichtung. Aufschlussreich ist dazu ein Dialog von Initiator Lutz Bachmann mit einem Mitglied der Gruppe: Ein Stephan Baumann (SB) schrieb am 11.10.14 um 13:32 Uhr:

„Lieber [LB], ich habe ein Problem mit der Formulierung friedliches miteinander. Ich möchte überhaupt kein miteinander. Ich möchte hier keine moslemische Bevölkerungsgruppen und keine moslemische oder sonstige Kultur(…)Ich will kein multikulti! Wenn ich dann hier falsch bin, dann entferne mich bitte wieder“. LB schrieb darauf: „[SB], Du bist genau richtig hier!“
(alle Fehler im Original)

Die Organisator_innen setzen sich aus verschiedenen Bereichen rechter Ideologien zusammen, angefangen bei AfD-nahen Personen wie Lutz Bachmann und nicht endend bei oben bereits zitierten Siegfried Daebritz mit nachweisbaren Verbindungen zu NPD, HoGeSa und anderen klar extrem rechten Gruppierungen. Von letzterem ist, auch durch einen Bericht von SPIEGEL TV1, nachgewiesen, dass er an der HoGeSa-Demo in Köln in direktem Umfeld rechter Kameradschaften teilgenommen hat.

Nach außen wird zwar von den Akteur_innen stets Friedfertigkeit betont und sich zum Verteidiger der Meinungsfreiheit gegen Salafist_innen und die Islamisierung im Allgemeinen aufgeschwungen. Hochgehalten wird ebenfalls ein vermeintlich christlich-jüdisches Wertekonstrukt „unserer“ Gesellschaft. So will und ist man anschlussfähig für das diffuse Angstgefühl der Stammtischgesellschaft in der sogenannten „bürgerlichen Mitte“. 

Schaut man aber hinter die Fassade und dekonstruiert die ideologischen Gemische, die in den gemachten Aussagen online und auf der Demo immer wieder publik gemacht werden, erkennt man ein großes Portfolio der Ideologien der Ungleichwertigkeit: Rassismus, Nationalismus, Chauvinismus, Islamophobie bis hin zu offen neonazistischen Äußerungen. Die Organisator_innen und Mitglieder haben eine national-identitäre Grundeinstellung. Sie sprechen daher immer vom „Vaterland“, „unsere Großväter und Großmütter“, „unsere Kinder“, einer „deutschen Kultur“ und von einer „deutschen Rasse/deutsches Volk“. Das Wort „Europäisch“ wird nur als Vorwand benutzt, um nicht sofort als „Nationalisten“ öffentlich aufzutreten. Neben der „Nationalflagge“ wird daher „nur“ noch die Flagge der (German) Defence League akzeptiert.Dass auch pure Menschenverachtung von den Organisator_innen mindestens toleriert wird, zeigt ein Facebook-Post unter dem Namen „Tom Johnes Dresden“ vom 11.10.14 um 15 Uhr:

„…Aber ich habe ein Problem mit eben den Viechern, was schon fast eine Beleidigung für Tiergattungen jedwehiger [sic!] Art ist, die vermeintliche Flüchtlinge sind, hier angeblich Schutz suchen, bei uns genau wie in ihrem Land kriminell sind UND SOMIT DORT ZU RECHT VERFOLGT WERDEN, SOMIT HABEN SIE DIESEN SCHUTZ VERWIRKT UND IN DEUTSCHLAND/EUROPA ZU VERSCHWINDEN…“ 

Widerspruch der PEGIDA-Organisator_innen? Kein Wort! 

Sind PEGIDA nun Nazis?

Diese Frage stellt sich unweigerlich für uns als Dresden Nazifrei, da wir uns als ein antifaschistisches Bündnis verstehen. Das selbst formulierte Gruppenziel der PEGIDA ist (zunächst) die offene Bekämpfung der „schleichenden“ Islamisierung von Deutschland und die Verhinderung der „Durchmischung“ der „deutschen Kultur“. Der Islam wird dabei als faschistoides, gewaltausübendes Herrschaftssystems beschrieben, mit dem Koran als verbindliches Regelwerk zur Tötung von „Ungläubigen“ und zur Errichtung eines Gottesstaates. Die Religionsausübung des islamischen Glaubens wird sogar mit der NS-Diktatur und der Diktatur der DDR gleichgesetzt und die „Islamisierung“ als Völkermord an der europäischen Bevölkerung dargestellt. 

Geht man in der Analyse tiefer, stellen wir aber fest, dass dieser vorgetragene Anti-Islamismus nur Mittel zum Zweck ist, um ein in weiten Teilen der Bevölkerung ein offensichtlich verbreitetes diffuses Angstgefühl vor zu starker Zuwanderung und ihren Folgen durch gezieltes Schüren zu klar fremdenfeindlichen Ansichten zu steigern. Eine Islamisierung ist in Dresden weder beleg- noch greifbar. Tatsächlich wird dieses Thema, weil es auch medial durch die Vorgänge rund um den „Islamischen Staat“ (IS) sehr präsent ist, durch PEGIDA ausgenutzt, um Stimmung gegen die Aufnahme von Flüchtenden zu machen und eine Kultur der Vorurteile und der Ablehnung gegenüber allen „nicht Deutschen“ zu erzeugen.

Wir aber haben uns ein Selbstverständnis gegeben, das uns vor unseren Gewissen verpflichtet, sich Naziaktionen von relevanter Bedeutung in unserer Stadt entgegen zu stellen. Wäre die Selbstbezeichnung der PEGIDA-Verantwortlichen von Bedeutung, so wären sie keine Nazis. Denn in zahlreichen Äußerungen distanzieren sie sich immer wieder, zumindest öffentlich, von diesem Begriff. Das aber kann kein Kriterium sein, wie oft hört oder liest man den Satz: „Ich bin ja kein Nazi, aber ...“ , gefolgt von einem neonazistischen Kommentar. Allein das einleitende Zitat eines Mitgliedes des 12er-Organisationskreises der PEGIDA zeigt aber, dass wir hier über Menschen sprechen, die im gefühlt sicheren Kommunikationsbereich sehr wohl kein Problem damit haben, sich als Nazi zu bezeichnen und offen diese Ideologie zu vertreten.

Von Bedeutung für uns ist daher gerade nicht, ob die Teilnehmenden oder Außenstehende sich selbst als Nazis bezeichnen – entscheidend ist für uns, ob Nazi-Ideologie hinter PEGIDA steht. Und diese Frage beantworten wir klar und deutlich mit: Ja! PEGIDA transportiert rassistische, (neo)nazistische Botschaften – auch wenn sie sich alle Mühe geben, diese in ein für die Mitte der Gesellschaft anschlussfähiges Gewand zu hüllen und mit der ständigen Leier der angeblichen Friedfertigkeit ein tolerables Antlitz verleihen. Zudem wissen wir nicht erst seit der Heitmeyer-Studie, dass rassistische Ansichten auch weit in die Breite der Gesellschaft hinein verankert sind. Das Stammtisch-Kleintel, angefeuert vom Boulevard und Parteien wie der AfD, findet sich deshalb genau so hinter dem PEGIDA-Transpi ein, wie Hooligans, Anhänger_innen der sog. „German Defence League“, rechte Rocker_innengruppen und langjährige Kader extrem rechter Parteien.

Es gibt also einen Unterschied zwischen PEGIDA und zum Beispiel den Nazidemonstrationen der NPD, wie wir sie in Dresden zuletzt am 07. Juni beobachten konnten: die Teilnehmer_innenschaft ist nicht homogen aus offen zuordenbaren Nazis zusammengesetzt. Für uns als Bündnis Dresden Nazifrei aber steht die Gemeinsamkeit der ideologischen Ausrichtung im Vordergrund, sowie die von zumindest Teilen der PEGIDA-Gruppierung ausgehende Gefahr für Menschen, die eben nicht in ein „patriotisch deutsches“ Weltbild passen. Die vorgetragene Gewaltfreiheit ist schon längst nur noch Fassade, beobachtet man die Demonstrationen und die Reaktionen auf Gegenproteste oder die bereits vorgefallenen gewalttätigen Angriffen auf Journalist_innen und Gegendemonstrant_innen im Umfeld der PEGIDA, zuletzt geschehen im Nachgang der Demo am 10.11.2014. Es ist aus unsere Sicht nur eine Frage der Zeit und des nötigen Funkens, bis der gewaltaffine Teil der Gruppe, bestimmt durch extrem rechte Personen und Hooligans, sein wahres Gesicht auch in größerem Rahmen zeigt. Dann wird es den Organisator_innen hinter PEGIDA nicht mehr gelingen, die Geister zu kontrollieren, deren Ideologie sie so laut rufen. Deswegen haben wir uns entschieden, PEGIDA entgegen zu treten und ihnen die Hoheit auf der Straße und im Diskurs zu nehmen!

Was ist die Konsequenz?

Erwartbar sind dabei die Angriffe, denen uns dieses Engagement aussetzt. Immer wieder wird es die Kritik geben, dass wir uns nicht anmaßen sollten, uns „friedlichen Demonstrant_innen“ in den Weg zu stellen, die doch „nur ihre Meinungsfreiheit“ ausleben wollen – noch dazu mit ständigem, wenn auch in keinster Weise angebrachtem Bezug zu den Montagsdemos im Jahr 1989. Sie werden sagen, dass wir damit doch nur ebenso kritikwürdigen Phänomenen innerhalb der islamischen Religionsgemeinde das Wort reden würden. Doch all das läuft ins Leere! 

Um es klar zu sagen: Wir kritisieren jegliche Ideologien der Ungleichwertigkeit, egal ob sie ideologisch oder religiös begründet sind. Dabei gibt es für uns auch keine Frage des geringeren Übels!

Von einer Islamisierung „des Abendlandes“ zu sprechen ist aber nachweisbarer Blödsinn und wo es in Dresden stellvertretende Glaubenskriege auf den Straßen geben soll, wissen wohl selbst die Organisator_innen nicht im Ansatz zu belegen. Doch darum geht es ihnen auch nicht. Sie versuchen, ein diffuses Angstgefühl zu verstärken, um eine ausländer_innenfeindliche Stimmung zu schüren. Wenn Rassebegriffe genutzt werden und das Volk als konstruierte Gemeinschaft immer wieder betont wird, sind wir klar im Kern einer völkisch-nationalistischen Ideologie angelangt. Und dann verwundert es auch nicht mehr, wenn mittlerweile ehemalige NPD-Mandatsträger wie Jürgen Gansel oder Rene Despang in der geheimen Gruppe zu akzeptierten Akteur_innen gehören, deren Kommentare stets ausschließlich Likes und keinen Widerspruch erfahren. Auch die Interviews und ständigen Verweise auf die „Blaue Narzisse“, ein Onlineblatt aus dem Kreis der von Gansel initiierten sogenannten „Dresdner Schule“-Strömung der NPD, sprechen eine deutliche Sprache.

Was werden wir also tun?

Wir haben in einer Konsensentscheidung aller Bündnisstrukturen entschieden, dass wir angesichts der anwachsenden Teilnehmer_innenzahlen bei den PEGIDA-Demos nicht länger Einzelgruppen die Last von Gegenaktionen tragen lassen können. Es ist nach unserer Einschätzung nötig, die Breite und Ressourcen unseres spektrenübergreifenden Bündnisses zu nutzen, um PEGIDA zu demaskieren.

Deshalb werden wir ab sofort selbst Gegenaktionen organisieren und durchführen, um nachhaltig PEGIDA-Aktionen zu verhindern, auch wenn der Weg bis dahin länger dauern könnte. Wir schließen dabei die Anwendung von Mitteln des zivilen Ungehorsams nicht aus.

Unser Anspruch ist dabei, die ideologischen Hilfskonstrukte hinter PEGIDA öffentlich zu dekonstruieren und ihnen eine klare Willkommenskultur für alle Menschen entgegenzusetzen. Wer hier in Dresden seinen Lebensmittelpunkt setzen will, ist willkommen – egal welcher Religion, Lebens- oder Liebensweise er nachgeht, welche Haarfarbe oder Kleidung er trägt.

Die Dresdner Bevölkerung muss nach unserer Überzeugung gegen PEGIDA ähnlich Farbe bekennen, wie es einige tausend Menschen in den letzten Jahren im Februar gegen den ehemals größten Naziaufmarsch Europas getan haben.

Gegen jeden Rassismus und jeglichen religiösen Fanatismus! No PEGIDA!

 

1http://www.spiegel.tv/filme/magazin-vom-02112014/