Erstellt: Sonntag, 18. Januar 2015 19:24

Alle Demonstrationen am 19.01. abgesagt - Bündnisticker erreichbar

Am heutigen Sonntag hat die Polizeidirektion Dresden per Allgemeinverfügung sämtliche für morgen geplante Versammlungen verboten. Darunter fällt sowohl die von „Pegida“ geplante Kundgebung auf dem Theaterplatz (eine zuvor angemeldete Demonstration wurde bereits zuvor in eine Kundgebung umgemeldet, da man die von der Polizei geforderte Risikoeinschätzung über die eigenen Teilnehmer_innen nicht liefern konnte), als auch die von Dresden Nazifrei angedachte Gegenkundgebung auf dem Schlossplatz und die von Dresden für Alle vorbereitete Kehraus-Aktion. Grund dafür sollen angebliche Erkenntnisse über eine konkrete Anschlagsgefahr in Bezug auf die „Pegida“-Demo sein.

Eines vorweg: Mord- und Terrordrohungen können für uns niemals ein Bestandteil politischer Auseinandersetzungen sein. Wer solche Mittel wählt, wird immer ein Stück Menschlichkeit in der Gesellschaft für seine politischen Zwecke opfern. Das können wir nicht akzeptieren.

Dies vorangestellt fragen wir uns allerdings, wie die heute ergangene Allgemeinverfügung der Polizei einzuordnen ist. Ein Djihadist ruft bei Twitter zu einem Anschlag auf eine bestimmte Kundgebung auf (was prinzipiell jeder Mensch mit einem Twitter-Zugang und 2 Minuten Zeit tun kann), es gibt weder Hinweise auf potentielle Täter_innen, noch auf die Vorgehensweise, noch irgendwelche anderen polizeilichen Ermittlungsergebnisse. Trotzdem wird die gesamte Stadt quasi zur politischen Sperrzone erklärt. Interessant, wenn man bedenkt, dass bekennende Pegida-Anhänger_innen im Internet ständig ihrem Hass freien Lauf lassen und auch vor massiven Gewaltandrohungen nicht zurückschrecken. Solche Vorkommnisse waren in der Vergangenheit aber ebenso wenig ein Grund für Grundrechtseinschränkungen wie die tatsächlichen rechten Gewalttaten der letzten Wochen und Monate in Dresden.

Wir werden das Gefühl nicht los, dass hier versucht wird, ein für die Polizei existierendes logistisches Problem namens „Pegida“ mit dem Mittel des Verbots zu lösen. Kann aber staatliche Repression ein geeignetes Mittel sein, einen politischen Streit zu beenden? Wir sagen: nein.

Würden jedes mal, wenn im Internet ein Djihadist eine Drohung ausspricht, Demonstrationsverbote dieser Größenordnung ausgesprochen, wäre die Welt bald eine grundrechtsfreie Zone! Wir haben uns bewusst dazu entschieden, die öffentliche Auseinandersetzung mit „Pegida“ und den dahinterstehenden Ideologien zu suchen und wir werden das auch weiterhin tun, auch auf der Straße. Eine Einschränkung des Demonstrationsrechts in diesem Ausmaß können wir nicht akzeptieren.

Dennoch gilt es, sehr genau zu überlegen, wie wir vor dem Hintergrund der Allgemeinverfügung mit dem morgigen Tag umgehen. Klar ist, dass jede Zuwiderhandlung gegen das Verbot von der Polizei vermutlich als Straftat gewertet werden würde. Klar ist auch, dass im Internet bereits Hooligans, NPD- und andere Nazikader dazu aufrufen, sich trotzdem in der Innenstadt zu sammeln (auch wenn wir natürlich nicht abschließend feststellen können, wie ernst zu nehmen solche Aufrufe sind). Solche Ansammlungen von Nazigrüppchen werden sich wahrscheinlich kaum an den durch Gruppendruck entstandenen „Pegida“-Konsens verpflichten, öffentlich gewaltfrei aufzutreten. Im Gegenteil könnten diese Gruppen äußerst gereizt und gewaltbereit auftreten, wie es bereits auf einigen „Pegida“-Demonstrationen zu beobachten war. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren haben wir uns dazu entschlossen, morgen nicht zu einer Demonstration aufzurufen um sowohl unsere Lauticrews als auch eventuelle Teilnehmer_innen nicht der Gefahr von Repression durch die Polizei oder Auseinandersetzungen mit Nazis auszusetzen.

Um euch dennoch über die Ereignisse morgen Abend zu informieren und euch, falls ihr es nicht vermeiden könnt, die Möglichkeit zu geben, euch in der Innenstadt gefahrlos zu bewegen, werden wir wie geplant ab ca. 17 Uhr einen Liveticker anbieten, der euch über eventuelle Naziaktivitäten auf dem Laufenden halten wird.

Antifa klobuersteTrotz allem stellt sich natürlich die Frage, wie mit der von der Polizei verordneten Abschaffung des Versammlungsrechts umzugehen ist. Einen Hinweis, wie man kreativ mit Grundrechtseinschränkungen umgehen kann, liefert das Beispiel Hamburg, wo die Klobürste zum Symbol des Widerstands gegen eine polizeiliche Gefahrenzone geworden ist. Niemand kann einem schließlich verbieten, auf einem Einkaufsbummel mit einem oder mehreren der handlichen Toilettenreiniger unterwegs zu sein. Außerdem ist es immer möglich, sich an die Polizeidirektion seines Vertrauens zu wenden: Ist es morgen erlaubt, in Grüppchen an Haltestellen auf den Bus zu warten? Müssen die Kinder jetzt allein zur Schule gehen? Die geschätzten Beamten sind sicher gern bereit, alle eure Fragen zu eurer Zufriedenheit zu beantworten!