Erstellt: Mittwoch, 16. April 2014 13:02

Es gibt vieles zu sagen und noch mehr zu tun!

Zur Auswertung der Kampagne 2013/2014 „Wieder Setzen!“ des Bündnisses „Nazifrei! Dresden stellt sich quer“

Inhalt:

Zur Kampagne
Zu den Aktionstagen
Wie weiter

Eine gute Auswertung ist wohl überlegt, mit entsprechender Zeit zur Reflexion vorbereitet, konstruktiv, (selbst-)kritisch und mit dem Versuch versehen, für zukünftige Aufgaben Erkenntnisse mitzugeben. All das will dieser Text versuchen – unser Anspruch an uns ist also hoch, ob wir ihm gerecht werden, müsst ihr entscheiden.

Die Kampagne unter dem Titel „Wieder Setzen!“ war bereits die fünfte Kampagne unseres Bündnisses in Folge. Seit 2009/2010 arbeiten wir daran, dem damals größten Naziaufmarsch Europas, mit bis zu 7000 Teilnehmer_innen, erfolgreich antifaschistischen Widerstand entgegen zu stellen. Uns ist wichtig, diesen Kontext ganz zu Beginn aller Gedanken zur Auswertung zu stellen, weil er für die Bewertung der Kampagne 2013/2014, der Abläufe der Aktionstage und zur Einordnung der Ergebnisse relevant ist. Unsere Einschätzungen und Entscheidungen sind nur mit diesem Hintergrund verständlich. Wir wissen, wo wir herkommen und was das für unser Bündnis bedeutet.

Zur Kampagne

Vieles, was wir in dieser Kampagne bis zu den Aktionstagen im Februar 2014 an Mobilisierung, Öffentlichkeitsarbeit und Vorbereitung geleistet haben, konnte von uns nach den vergangenen Jahren erwartet werden. Wir sind viele schon betretene Pfade entlang gegangen, haben versucht uns auf sicherem, weil bekanntem Terrain zu bewegen. Im Nachhinein sehen wir das sehr kritisch, weil Routine zwar hilfreich sein kann, aber auch den Blick für neue zu beachtende Entwicklungen versperrt.
Die Kampagne wurde im Herbst mit der Veröffentlichung des Aufrufs begonnen. Auf eine Aktionskonferenz wurde dabei erstmals verzichtet, stattdessen fand eine Auftaktaktion statt, die durchaus als gelungen bezeichnet werden kann. In der Folge haben wir versucht, die Bedingungen für die Erfolge der letzten Jahre auch für 2014 wieder herzustellen. Es wurde die Infrastruktur für einen Aktionstag (inklusive Täterspurenmahngang) geplant und vorbereitet, wir haben mittels Aktionen in der Stadt, Solipartys und -konzerten und unserem Webauftritt versucht, Infos zur Kampagne zu vermitteln und Menschen für den Aktionstag zu mobilisieren. Es wurden erhebliche Mengen an Plakaten, Flyern und Aufklebern in Dresden verteilt und auch überregional verschickt. Gleichzeitig haben wir uns strategisch auf den Aktionstag vorbereitet und dabei versucht, Infos über die zu erwartende Lage zu bekommen.
Dabei mussten wir feststellen, dass einige Dinge immer schwieriger werden, je akzeptierter und etablierter wir wahrgenommen werden. Die Bereitschaft zur Finanzierung des Bündnisses durch die im Bündnis organisierten Gruppen selbst und die Bereitschaft von Menschen außerhalb des Bündnisses an uns zu Spenden hat deutlich nachgelassen. Die größeren Organisationen haben über Jahre viel Geld in das Bündnis gesteckt und können diesen Kurs nicht uneingeschränkt aufrecht erhalten, wenn die bundesweite Bedeutung unserer Kampagne sinkt. Gleichzeitig sind die Strukturen vor Ort finanziell schon am Limit in ihrer politischen Arbeit. So sind wir mehr und mehr auf eure Spenden angewiesen, jedoch scheinen viele Menschen diesen Bedarf bei uns auf Grund unserer Erfolge nicht mehr zu sehen. Im Gegensatz dazu ist aber der Anspruch an unsere Arbeit und an das, was wir leisten, weiter gestiegen. In der Mobilisierungsphase wird es mittlerweile für selbstverständlich gehalten, dass wir zahlreiche Aktionen auf die Beine stellen und Mobi-Material (kostenfrei) verschicken, an den Aktionstagen wird von uns Professionalität und entsprechende Infrastruktur erwartet, unsere Öffentlichkeitsarbeit soll möglichst 24h, 7 Tage die Woche erreichbar, reaktionsfähig und aussagekräftig sein. Was dabei vergessen wird: wir bekommen alle kein Geld für unser Engagement, im Gegenteil – wir opfern unsere Freizeit (und manche auch noch viel mehr), wir schlagen uns Wochenenden und Nächte um die Ohren, wir stecken Energie, Motivation und Idealismus in unsere Arbeit und setzen uns jedes Jahr potenziellen Repressionen aus. Und auch wenn wir es nicht gut finden, müssen wir akzeptieren, dass all das ohne entsprechende Finanzmittel nicht möglich wäre. Nur aber, weil es uns nun bereits fünf Jahre gibt, heißt das nicht, dass wir riesige Reserven angehäuft hätten. Wenn es eine weitere erfolgreiche Kampagne 2014/2015 geben soll, ist diese auch davon abhängig, wie vielen Menschen und Organisationen unsere Arbeit so wichtig ist, dass sie uns mit einer Spende unterstützen.

Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren gab es vor allem in der öffentlichen Kommunikation gegenüber der Stadt Dresden und ihrer Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), sowie der von ihr eingesetzten „AG 13. Februar“, die für die Organisation der Menschenkette verantwortlich zeichnet. Auch wenn uns die Stadt Dresden, schon allein in Form der Versammlungsbehörde, auch immer wieder als Kontrahent gegenübersteht, so haben wir es doch nie ausgeschlossen, auch mit (halb-)offizieller Seite oder anderen Interessengruppen in Gespräche zu treten. Solche Gespräche helfen dabei, unterschiedliche Interessen klar zu benennen und die Beteiligten zu klaren Bekenntnissen zu zwingen. Mindestvoraussetzung für uns war dabei immer, dass etwas greifbares, also eine spürbare Verbesserung in Sachen Erinnerungspolitik und dem Naziproblem in Dresden, herauskommt. Nachdem wir für uns festgestellt hatten, dass uns der Stillstand der letzten Jahre im Diskurs um das Gedenken in der Stadt nicht zufrieden stellt, haben wir uns dazu entschieden, ein Gesprächsangebot an die OB zu richten. Mit der AG hatten wir schon in der Vorgängerkampagne das Limit der gegenseitigen Übereinkünfte erreicht (gegenseitiger Respekt für die Aktionsform, solange das gemeinsame Ziel ist, gegen Nazis aktiv zu sein). Nun wollten wir uns bewegen, um so auch Bewegung auf der Gegenseite auszulösen.
Dieses Gespräch ist weder bis zum Aktionstag, noch bis zum heutigen Tag zu Stande gekommen. Die Gründe dafür liegen allein bei der OB und können von uns nur als Ausreden eingestuft werden. Auch eine viel beschäftigte Dresdner Oberbürgermeisterin hätte, wenn ihr etwas am Austausch gelegen wäre, sicher ein oder zwei Stunden in ihrem Terminplan für uns finden können – das dies nicht geschehen ist, zeugt von ihrem mangelnden Willen, sich mit uns an einen Tisch zu setzen. Bei uns hielt sich die Enttäuschung in Grenzen, da wir ohnehin nur spekulieren konnten, was bei so einem Gespräch sinnvolles herausgekommen wäre. Im Nachhinein müssen wir jedoch ohnehin stark anzweifeln, ob so ein Gespräch bis zum 12./13.02. diesen Jahres überhaupt noch zu weiteren positiven Entwicklungen geführt hätte.
Stattdessen stellen wir fest, dass sich zwar in der Rhetorik seitens der handelnden Personen der Stadt Verbesserungen zeigen, in den Handlungen aber findet dies keine Widerspiegelung. So sprach Frau Orosz im Vorfeld positiv über unseren Mahngang. Wir begrüßen dies, denn genau das haben wir seit Jahren versucht zu verdeutlichen. Dennoch blicken wir unverändert grundsätzlich kritisch auf die seitens der Stadt weiterhin kultivierte Gedenkkultur am 13. Februar. Dass gerade dieser Jahrestag in seiner Rezeption in Dresden weiterhin alle anderen Daten im Kontext der NS-Vergangenheit überschattet, erhält unweigerlich den Opfermythos um diese Stadt aufrecht. Und unsere Kritik gilt den „offiziellen“ Veranstaltungen dann umso mehr, wenn sich Nazis wie dieses Jahr immer noch problemlos in die Teilnehmer_innenschaft auf dem Heidefriedhof oder der Menschenkette einreihen können.
Im Ergebnis der Kampagne müssen wir unsere veränderte, offenere Strategie gegenüber der Stadt als gescheitert ansehen. Es hat im Verhältnis zum Gedenken zwar auch im Verlauf dieser Kampagne Fortschritte gegeben (zum Beispiel die Anerkennung unseres Täterspurenmahnganges), wir müssen in einigen Punkten aber auch Rückfälle in längst überwunden geglaubte Debatten und Abläufe konstatieren – siehe Heidefriedhof, aber auch die Ergebnisse unserer Gespräche mit der „AG 13. Februar“, in der seitens der AG-Vertreter_innen der bereits gesichert geglaubte Konsens wieder in Frage gestellt worden ist. Vor allem hat die von uns zugelassene Nähe zu Vereinnahmungstendenzen geführt, die uns Sorgen machen. Wenn suggeriert wird, das Bündnis Dresden Nazifrei wäre nur Teil eines größeren städtischen Gedenk- und Protestkonsenses, müssen wir dem klar widersprechen. Bis heute sehen wir keinen adäquaten Umgang mit dem Datum seitens der Stadt noch einen klar formulierten antifaschistischen Anspruch. Wir stehen nicht neben der Menschenkette und dem Heidefriedhof-Gedenken, wir kritisieren beide. Dies sind weder unsere Aktionen, noch halten wir sie für geeignet, einen gelungenen Umgang mit dem Tag zu finden oder Nazis etwas entgegen zu stellen. Das werden wir zukünftig wieder stärker heraus stellen und betonen: Erst unserem entschlossenen Engagement und den Menschen, die mit uns seit 2009 auf der Straße waren, ist es zu verdanken, dass heute überhaupt über einen möglichen nazifreien 13. Februar nachgedacht werden kann – weder die OB, noch eine Menschenkette, noch die AG 13. Februar haben auch nur einen Nazi in Dresden blockiert oder einen Anteil an der Demobilisierung innerhalb der rechten Szene in den vergangenen Jahren!

Zu den Aktionstagen

Reden wir nicht lange darum herum: der 12. Februar 2014 ist ein Rückschritt in Dresden. Wir als Bündnis wurden überrascht, waren nicht darauf vorbereitet. Weil wir uns einerseits fahrlässig überraschen lassen haben und uns andererseits seitens der Stadtverwaltung Informationen gezielt vorenthalten worden sind. Im Nachhinein ist das Kalkül der Versammlungsbehörde unter Herrn Lübs, die zum Verantwortungsbereich der Oberbürgermeisterin Frau Orosz gehört, und des Polizeichefs Kroll aufgegangen: den Nazis den Vorabend überlassen und ihren Marsch durchsetzen, mit dem Ziel am 13. Februar Ruhe in der Stadt zu haben. Wir halten diese Strategie für fatal, für einen großen Fehler, für einen Rückschritt in die Zeiten der 2000er Jahre, vor allem aber für gescheitert! Die Route der Nazidemo war offensichtlich angemeldet und abgesprochen. Dies war keine Spontananmeldung. Das bedeutet: Polizei und Ordnungsamt haben die Öffentlichkeit wissentlich nicht bzw. falsch informiert. Selbst die OB schien bis zum Abmarsch der Nazis keine Kenntnisse zu haben – was nur erneut zeigt, wie wenig Kontrolle sie über ihre Versammlungsbehörde hat, der sie offiziell vorsteht. Die Berechnung die dahinter steckt, kann nicht scharf genug kritisiert werden. Denn für uns ist es nicht von Bedeutung, an welchem Tag Nazis durch Dresden marschieren, sondern ob sie marschieren. Das dies am 12. Februar möglich war – und mit massiver Polizeigewalt durchgesetzt wurde – damit selbiges am Folgetag ausbleibt, macht die Sache für uns nicht weniger unerträglich. Getoppt wird dieser Umstand nur noch von der Tatsache, dass jegliche dieser Überlegungen durch den Verlauf des 13. Februar ad absurdum geführt worden. Egal wie oft medial behauptet wurde, „die Dresdner“ hätten „ihren Tag zurück“ - wir stellen fest: auch am 13. Februar 2014 waren Nazis in der Stadt, sie standen mit 80 Teilnehmer_innen auf dem Heidefriedhof, sie haben sich problemlos in die Menschenkette eingereiht, sie waren in Kleingruppen unterwegs, haben versucht zu stören, sich zu versammeln und die Polizei beschäftigt. Es gab auch 2014 keinen nazifreien 13. Februar, es gab keinen ruhigen Tag!

Wir müssen uns selber anlasten: wir waren nicht gut genug informiert, um die Lage vorab richtig einzuschätzen. Wir waren daher nicht gut genug vorbereitet, um schon am 12.02. erfolgreichen Widerstand auf die Straße zu bringen. Wir waren weder in den Kommunikationsstrukturen, in der Infrastruktur noch in den Aktionsstrukturen auf der Straße überhaupt oder nur in kleinem Rahmen handlungsfähig. Wir haben für diesen Abend lediglich zu einem „Warm-Up“ aufgerufen, auch um das, was wir seitens der Nazis für den Vorabend erwartet haben, nicht unsererseits aufzuwerten. Mit „Warm-Up“ wollten wir eher eine niederschwellige Aktionsform des Protestes umschreiben und waren dabei von einer überschaubaren Anzahl von Nazis ausgegangen, die im Bereich Theaterplatz/Postplatz agieren wollen. Und nun – aus der Nachbetrachtung heraus – wissen wir, dass es wohl besser gewesen wäre, bereits für den 12.02. zu Blockaden aufzurufen und dass auch wir mit dazu beigetragen haben, dass der Ernst der Lage erst im Verlauf des Abends sichtbar wurde und dass ein klarer Aufruf mehr Menschen und wirksameren Widerstand hätte mobilisieren können. Nur ist Mensch im Nachhinein oftmals schlauer. Mit den Informationen, die wir im Vorfeld hatten, konnten wir jedoch zu keiner anderen Entscheidung kommen – womit wir wieder bei der schlechten Informationslage wären.
Im Ergebnis konnten die Nazis am 12. Februar laufen. Dies macht uns genauso wütend wie euch, wir sind genauso enttäuscht, wie ihr es seid und wir wollen, hoffentlich genau wie ihr, das im nächsten Jahr verhindern.
Nach dem 12. Februar ist sehr viel Kritik an uns herangetragen worden. Wir nehmen jede konstruktive Äußerung sehr ernst und hinterfragen uns, was wir anders, was wir besser hätten machen können. Sehr oft wurde gefragt, warum wir als Bündnis nicht auf der Straße gewesen wären, warum es keine Ticker-Infos, keine Ansagen von uns, keine Handlungsempfehlungen gegeben hätte. Auch dazu gilt es hier Stellung zu nehmen: Es gab keinen Ticker, weil die Struktur dafür nur für den 13. Februar vorbereitet war und am Vorabend noch nicht stand. Einzig die Kommunikation via twitter und facebook stand uns zur Verfügung (und ist auch genutzt worden). Selbst wenn aber der Ticker online gewesen wäre, hätten wir keine Infostrukturen auf der Straße gehabt und auch keine Verarbeitungsstrukturen, um euch diese Infos in gewohnter Qualität zur Verfügung zu stellen. Dennoch wollen wir festhalten, dass wir natürlich auf der Straße waren – und mit uns knapp 1000 Menschen, die sich an verschiedenen Aktionsformen beteiligt haben. Wir als Bündnis Dresden Nazifrei hatten sehr spontan zwei Lautis unterwegs und haben versucht, zunächst an der Sophienstraße, später vor dem Kristallpalast den Ablauf des Aufmarsches zu stören und mit euch zu blockieren. Und wir hatten im Vorfeld aufgerufen, mit uns auf der Straße zu sein – wir haben es aus den oben beschriebenen Gründen WarmUp genannt, auch weil für uns selbst vieles unklar war und wir es als unverantwortlich angesehen haben, Menschen mit einem Blockadeaufruf in eine Situation zu schicken, die leicht hätte außer Kontrolle geraten können. Im Nachhinein kann man diese unklare Formulierung durchaus berechtigt als Fehlentscheidung ansehen.

Die Kritik und damit verbundenen Erwartungshaltung an uns offenbart aber noch ein weiteres Problem, dass wir ansprechen wollen: wir sind keine Blockade-Dienstleister_innen! Es ist klar, dass Menschen, die mit uns sympathisieren, auf uns schauen und dementsprechend enttäuscht sind, wenn wir nicht so gut aufgestellt sind wie gewohnt. Unser letztendliches Ziel ist jedoch, Dresden Nazifrei als Bündnis überflüssig zu machen. Insofern war es auch immer unser Anspruch, den Menschen auf der Straße eigenverantwortliches Handeln zu ermöglichen.
Der 12. Februar hat gezeigt, dass Dresden mehr Menschen in eigenständig handlungsfähigen Strukturen braucht, die notfalls auch ohne groß vorbereitete Organisation in der Lage sind, auf spontane Aktionen von Nazis zu reagieren. Es ist jedoch auch festzustellen und wir müssen das akzeptieren, dass viele auf uns schauen, wenn es in Dresden gilt, egal an welchem Tag Nazis marschieren, deren Aufmärsche und Kundgebungen zu verhindern. Und wenn - wie am 12.Februar geschehen - die Nazis doch marschieren können, dann sind unsere Sympathisanten_innen von uns enttäuscht. Ob uns das gefällt oder nicht. Dresden Nazifrei kann und wird aber nicht immer und überall zur Stelle sein. Ihr selbst seid gefragt. Schließt euch zusammen, bildet dauerhafte Bezugsgruppen die ihr schnell aktivieren könnt und nehmt das Heft des Handelns auf der Straße selbstbestimmt in die Hand. Ihr wisst, wie es geht, das habt ihr in den letzten Jahren bewiesen. Wir haben und wir werden dazu weiter Angebote wie Blockadetrainings zur Weiterbildung und Vorbereitung machen. Aber letztendlich müsst ihr euch selbst ermächtigen, antifaschistischen Widerstand erfolgreich auf die Straße zu tragen. Verlasst euch nicht nur auf uns – denn wir wären ohne euch nichts!

Genau das galt auch für den 13. Februar 2014. Dank über 3200 Menschen konnten wir bei unserem Täterspurenmahngang einen neuen Teilnehmer_innenrekord aufstellen. Der Mahngang fand ohne größere Probleme statt, lief ungestört von Anfang bis Ende und hat somit das dritte Mal in Folge unseren Beitrag zu einem anderen Umgang mit dem historischen Datum in Dresden geleistet. Die kritikablen Punkte sollen dieses positive Bild nicht trüben, aber werden auch hier ernst genommen: für das kommende Jahr muss der Eigenschutz der Veranstaltung wieder stärker in den Fokus rücken, da kleinere Gruppen von Störer_innen sich mehrfach unter die Teilnehmer_innen mischen konnten. Und auch hier gilt es den von offizieller Seite vernehmbaren Vereinnahmungstendenzen entgegen zu wirken und auch deutlicher auf Bündniskonforme politische Botschaften zu achten. So werden wir im kommenden Jahr andere Kriterien für die Aufstellung am Fronttranspi anlegen und darauf achten, dass nicht möglichst hohe Prominenz zählt, sondern die Abbildung des Bündnisspektrums.

Zum Verlauf des restlichen Tages ist weiter oben schon einiges vorweg genommen worden. Es war kein nazifreier Tag, auch wenn das im Nachgang oft zu lesen war. Immer wieder tauchten kleinere Gruppen von Nazis in der Stadt auf, deshalb war es aus unserer Sicht richtig und wichtig, möglichst lange mit möglichst vielen Menschen auf der Straße zu bleiben. Es ging darum, auch nach dem Ende von Menschenkette und Täterspurenmahngang sicher zu stellen, dass keine spontane konzentrierte Aktion der Faschist_innen mehr möglich ist. Das haben wir erreicht.
Große Kritik müssen wir an die AG 13. Februar und ihre Menschenkette richten. Wem es bis zu diesem Jahr noch nicht klar war, der muss spätestens nach dem 13. Februar 2014 begriffen haben, wie unnütz dieses symbolische Zeichen ist und wie leicht es durch Nazis als Anknüpfungspunkt missbraucht werden kann. Noch schlimmer ist da nur die alljährliche Opfer-Kult-Stunde auf dem Heidefriedhof. Das Memorial an sich reiht bereits Dresden in eine Aufzählung mit Coventry oder gar Auschwitz – das ist und bleibt unerträglich. Besonders verabscheuungswürdig wird es aber dann, wenn an der Gedenkstunde 80 Nazis teilnehmen können und das keine_n der honoren Persönlichkeiten zu Protest verleitet. Nach dem in den letzten Jahren wenigstens das Protokoll runter gefahren wurde, um den Nazis nicht allzu leichte Anknüpfung zu ermöglichen, war in diesem Jahr sogar wieder eine Kranzniederlegung Bestandteil. Ein weiterer Rückschritt in Dresden, mindestens zum Zustand 2011. Das kann nicht ohne Folgen für uns bleiben, der Heidefriedhof wird wieder in unseren Fokus rücken und wir werden diese Veranstaltung nicht mehr ohne Protest akzeptieren können.
Doch zurück zur Menschenkette: bis zum 13. Februar 2014 haben wir stets betont, dass wir es respektieren, wenn Menschen sich zu einem symbolischen Zeichen gegen Rechts zusammen finden – auch wenn das keinen einzigen Naziaufmarsch verhindern kann. Dabei haben wir bereits darüber hinweg gesehen, dass die Menschenkette ursprünglich gegen jeden „Extremismus“ angesetzt war und im Geiste der unsäglichen Extremismusdoktrin Nazis und unseren Widerstand gleichzusetzen versuchte. Wenn nun aber, wie in diesem Jahr geschehen, Nazis am Morgen des 13. Februars ungeniert dazu aufrufen können, sich in die Menschenkette einzureihen um am „Stillen Gedenken“ teilzunehmen, wenn Ordner_innen bei der Einweisung gesagt bekommen, dass sie Nazis ignorieren sollen, wenn Nazis Kerzen für „deutsche Opfer“ abstellen können, wenn gleichzeitig unsere Aktivist_innen aus der Menschenkette heraus bepöbelt werden – dann ist selbst die symbolische Funktion dahin! Die Menschenkette hat mit dem Jahr 2014 aus unserer Sicht jegliche Berechtigung verloren. Sie ist nunmehr ein Symbol dafür, wie wenig in Dresden bislang verstanden wurde, wo das eigentliche Problem liegt. Und sie wird es bleiben, wenn sie sich nicht zumindest in eine Protestform in Hör- und Sichtweite von Naziaktionen weiter entwickelt. Die Naziaufmärsche sind aber nur das Symptom. Die Ursachen liegen im Festhalten am Gedenken an vermeintliche deutsche Opfer! Wenn die Menschenkette sich alljährlich schließt, praktiziert sie für viele Teilnehmer_innen mit dem einhergehenden Glockengeläut nichts anders als eine Form des von uns seit Jahren kritisierten „Stillen Gedenkens“ – auch wenn die Veranstalter_innen dies anders wollen. Und genau das macht sie anschlussfähig für Nazis. Genau deswegen können diese sich dann problemlos einreihen, weil genau dieses unreflektierte Gedenken ihrer Intention entspricht. Im Ergebnis kursieren dann Bilder der OB mit Nazis Arm in Arm im Netz. Wir werfen das der OB nicht vor, aber wir weisen darauf hin, dass sich die Stadt diese negative Publicity am Ende nur selbst zuzuschreiben hat.

Wie weiter

In Auswertung all dessen, was wir bis hier hin festgestellt haben, ergeben sich zahlreiche Fragen an uns selbst, an deren Beantwortung wir nun arbeiten müssen:
Zunächst galt es zu klären, ob wir uns auch künftig ausschließlich auf den Februarkomplex konzentrieren wollen. Diese Frage haben wir bereits entschieden. Im Ergebnis wird unser Bündnis all seine über das Internet angelegten Informations- und Mobilisierungsmöglichkeiten nutzen, um in diesem Jahr auch für den 07.06., den sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“, möglichst viele Menschen nach Dresden und hier auf die Straße zu bewegen. Wir werden allerdings an diesem Tag nicht mit eigenen Strukturen auf der Straße sein, einfach weil sich hier bereits ein Akteur_innenfeld dazu gefunden hat. Wir schätzen dieses Ereignis aber als so wichtig ein, dass wir uns dazu nicht einfach schweigend verhalten können.

Die anderen Fragen sind nicht so schnell zu beantworten, vor allem, weil sie mit Selbstkritik, Selbstreflexion und dem realistischen Einschätzen unserer Ressourcen und Fähigkeiten einhergehen. Grob zusammen gefasst müssen wir klären: Was gilt es zu verändern und können wir das?
En detail bedeutet das viele komplexe Einzelentscheidungen. Es gilt für uns zu präzisieren, in welcher Form im Bündnis wichtige Fragen weiter konsensfähig sind, speziell im Umgang mit der Stadt und dem Gedenken. Es gilt zu klären, wie wir die Fehler aus diesem Jahr nicht wiederholen und was dafür an Strukturen, an Strategien, an Ressourceneinsatz verändert werden muss. Es gilt zu recherchieren, was konkret uns 2015 mit dem 70. Jahrestag erwartet, welche potentiellen Partner_innen wir haben, welche Akteur_innen in der Stadt eher gegen oder zumindest nicht mit uns arbeiten. Vor allem gilt es, auf die veränderte Strategie der Nazis zu reagieren. Wir waren bis zu diesem Jahr erfolgreich, nun aber haben die Nazis um Maik Müller reagiert, verlegen sich auf viele kleine Aktion an mehreren Tagen und haben auf eine offene Mobilisierung zu ihrem Fackelmarsch verzichtet. Das macht es für uns schwerer, weil wir nicht langfristig auf einen Tag hin mobilisieren können. Neue Rezepte müssen also her. Die Möglichkeiten sind vielfältig, es muss aber entschieden werden, was wir leisten können – und was womöglich nicht. Und für diese Entscheidung müssen wir dann auch wissen, welche Strukturen, welche Menschen, in welchem Maße das Bündnis weiter tragen wollen und was sie bereit sind, mit einzubringen.
Zu all diesen offenen Punkten werden wir in den nächsten Monaten Antworten finden. Wir werden suchen: nach Lösungsmöglichkeiten, nach Ideen, aber auch nach neuen Partner_innen. Wir sind ein Bündnis aus der Zivilbevölkerung heraus, getragen von einem breiten Spektrum von Organisationen. Wenn ihr, als Teil dieser Zivilbevölkerung, uns helfen wollt, dann meldet euch gerne bei uns.

Einiges an Veränderungen steht bereits jetzt fest. Wir werden die Stadt Dresden, die Dresdner Polizei und die AG 13. Februar wieder stärker und deutlicher kritisieren. Wir werden uns gegen jegliche Vereinnahmungsversuche, vor allem durch die OB und die „AG 13. Februar“ deutlich zu Wort melden. Wir werden die Bedeutung unserer Arbeit wieder stärker in den Vordergrund stellen und welche Unterschiede es dabei zu den reinen Symbolaktionen ohne Wirkungsgehalt der Stadt gibt. Wir werden gleichzeitig aber auch unsere Zusammenarbeit mit Partner_innen intensivieren, die sich jenseits der offiziellen Vertreter_innen der Stadt für Veränderungen in Dresden einsetzen. Wir werden uns nicht mehr bedingungslos an einen Tisch mit der OB setzen. Wir werden Nazi-Strukturen wieder intensiver beobachten und unsere Informationsstrukturen verbessern.

Eines aber, wollen wir euch, der Stadt Dresden, aber vor allem den Nazis mit auf den Weg geben: Ihr seid uns nicht los! Unser Widerstand gegen Geschichtsrevisionismus und Naziideologie geht weiter. Wir sind Dresden Nazifrei!