Erstellt: Dienstag, 08. September 2015 13:54

Klarstellung aus aktuellem Anlass

Am Samstag wurde in der SZ-online ein Interview mit dem sächsischen (Noch-)Innenminister Ulbig (CDU) veröffentlicht, zu dem wir dann doch noch ein paar Sachen klarstellen müssen. Das wollen wir hiermit tun:

szonline: Herr Ulbig, was ist das für ein Gefühl, als sächsischer Innenminister beim Willkommensfest für Flüchtlinge in Heidenau vom Hof gejagt zu werden?

Ulbig: Natürlich war ich enttäuscht. Ich habe ja dazu beigetragen, dass das Fest stattfinden konnte.

Nein, das haben Sie nicht, Herr Ulbig! De facto: Bis 13:20 Uhr am Freitag hatten wir mit Ihnen eine Absprache erreicht, die erst 13:30 Uhr veröffentlicht werden sollte. Deren Inhalt war, dass Sie die Landesdirektion anweisen, uns mit dem Fest auf das Gelände zu lassen und wir dafür akzeptieren, dass Sie mit dem Heidenauer OB am Fest teilnehmen. Teil der Vereinbarung war, dass Sie mit dieser Information als Erstes an die Öffentlichkeit gehen. Diese Vereinbarung ist nur auf massiven Druck über fast 24 h, vermittelt durch verschiedene Abgeordnete von SPD, LINKE und Grünen erreicht worden - nicht auf Ihre Initiative.
Gegen 13:20 Uhr am Freitag kam die Meldung, dass das Verwaltungsgericht Dresden die Allgemeinverfügung zum polizeilichen Notstand gekippt hatte. Damit war jene Absprache hinfällig, weil die ursprüngliche Anmeldelage wieder hergestellt war.

Fazit: Auch ohne Sie hätte das Fest stattgefunden und Sie haben länger eine Lösung behindert, als etwas ermöglicht!

Ulbig: Die Auseinandersetzungen im Umfeld der Erstaufnahmeeinrichtung waren in dieser Dimension und Brutalität nicht vorhersehbar.

Ebenso falsch! Es gab bereits vor den Ausschreitungen am Wochenende vom 21. bis 23. August an mehreren Abenden Demonstrationen vor der da noch geplanten Einrichtung mit bis zu 400 Teilnehmer_innen. Mindestens seit Mittwoch Abend kursierte im Netz, z.B. via facebook, ein Naziaufruf, am Freitag Abend die Anreise der Refugees mit einer gewalttätigen Blockade zu behindern. Hinzu kamen die vorhergehenden Vorfälle in Freital, Meißen und an der Dresdner Zeltstadt.

Fazit: Die Ausmaße der Ausschreitungen waren nicht nur vorhersehbar; die Polizei inkl. Staatsschutz, das Innenministerium samt Verfassungsschutz hätten es, so sie denn ihre Arbeit tatsächlich kompetent ausführen würden, vorhersehen müssen.

Ulbig: Die Polizeiführung hat sich bei solchen Einsätzen bisher stets darauf konzentriert, die Menschen und die Helfer sowie das Objekt selbst zu schützen. Diese Ziele sind in Heidenau übrigens alle erreicht worden.

Falsch: In Heidenau konnte die Polizei an besagtem Wochenende höchstens zuschauen und sich selbst vor den Attacken der Nazis schützen. Sie agierten z.T. hilflos und überfordert. Der Mob der Rassist_innen und Nazis konnte ungehindert direkt an das Gelände gelangen, Böller über den Zaun werfen und randalieren.

Fazit: Es grenzt eher an ein Wunder, dass die Flüchtlingen in Heidenau unverletzt blieben als dass es dem kompetenten Einsatz der Polizei zu verdanken gewesen wäre. Die lt. Medienberichten bis zu 30 verletzten Beamten des ersten Abends (von etwa 130 Einsatzkräften insgesamt) lassen ahnen, dass ein sicherer Schutz der Flüchtlingsunterkunft bei weiteren, konzertierten Angriffen der Nazis nicht im Ansatz hätte gewährleistet werden können.

szonline: Zur Kritik in Ihre Richtung kam zuletzt die Rücktrittsforderung. Warum ist das für Sie keine Option?

Ulbig: Es ist noch nie meine Art gewesen, bei Gegenwind das Handtuch zu werfen.

Es ehrt Sie zumindest, dass Sie nicht schnell aufgeben wollen. Aber im politischen Alltag gilt es auch, für Fehler Verantwortung zu übernehmen.
Was Ihnen fehlt - und mit diesem Interview legen Sie hier noch einmal nach - ist Glaubwürdigkeit. Sie arbeiten mit Unwahrheiten und Ungenauigkeiten. Was Ihnen fehlt, ist Kompetenz. Ihre untergeordneten Behörden agieren chaotisch und ohne Absprache, juristisch inkompetent und politisch unsensibel - wie es das Desaster um die polizeiliche Notstandsverfügung in Heidenau unmissverständlich deutlich gemacht hat. Was Ihnen fehlt, ist ein politisches Bewusstsein für das eigentliche Problem: Das Problem sind nicht 40000 Refugees, die womöglich in diesem Jahr nach Sachsen kommen. Das Problem sind Nazis und Rassist_innen, die in Sachsen seit 25 Jahren ohne große Gegenwehr seitens staatlicher Behörden schalten und walten können, denen man ganze Landstriche einfach überlassen hat.

Deshalb: Bringen Sie die Konsequenz auf und treten Sie zurück! Vor allem aber: Bleiben Sie bei der Wahrheit!