Erstellt: Sonntag, 11. September 2011 19:20

Zusammenfassung des Berichts des Datenschutzbeauftragten

 

Am 09. September ist durch den Datenschutzbeauftragten des Landes Sachsen bekannt geworden, dass die massenhafte Funkzellenabfrage (FZA) rechtswidrig war und gegen eine Vielzahl von Gesetzen verstößt. Sein Bericht liest sich wie eine schallende Ohrfeige für Jusitz, Polizeibehörden und Minister. Darin werden auch mangelnder Respekt gegenüber der Versammlungsfreiheit, dem Fernmeldegeheimnis, der Religions- und Pressefreiheit deutlich aufgezeigt.

 

Im Zitat: „Von einer Beanstandung konnte ich nicht nach § 29 II SächsDSG absehen, da das Handeln der Staatsanwaltschaft Dresden und des LKA Sachsen zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte von ca. 257.000 Personen, von denen über 40.000 namentlich ermittelt wurden, führten, sowie die spezifischen Rechte von Abgeordneten, Rechtsanwälten und Journalisten in Ausübung ihrer Tätigkeit unzureichend beachtet wurden. Staatsanwaltschaft und LKA haben damit mangelnden Respekt vor dem Fernmeldegeheimnis […], der Pressefreiheit […], der Religionsfreiheit […] sowie den spezifischen Rechten von Abgeordneten und Rechtsanwälten gezeigt. Ich bewerte dieses Vorgehen als besonders schwerwiegend.“

 

Damit legt der Datenschutzbeauftragte auf 53 Seiten den Beweis für eine Rechtsbeugung und den Gesetzesverstoß durch Polizeibehörden und Staatsanwaltschaft in den Ermittlungen zu Straftaten im Rahmen des 19. Februars 2011 vor.

In kurzer Form fassen wir zusammen, was der Bericht umfassend ausführt.

 

Was geschah...

Nach den erfolgreichen Blockaden von Europas größtem Naziaufmarsch im Februar 2011 wurde durch die Polizeidirektion (PD) Dresden eine Sonderkommission zur Aufklärung von Straftaten wie Landfriedensbruch, Körperverletzung und anderen ins Leben gerufen. Die SOKO 19/2 beginnt ihre Ermittlungstätigkeiten bereits am 28. Februar. Gestützt auf Informationen des Landeskriminalamts Sachsen (LKA) beginnt eine umfassende großflächige FZA in Dresden am 22. Februar. Die PD Dresden erhebt durch Antrag bei der Staatsanwaltschaft Dresden Verkehrsdaten aus Funkzellen von 14 Tatorten in genau beschriebenen Zeiträumen. Laut dem Bericht des Datenschutzbeauftragten war dieser Antrag bereits ausformuliert, von der Staatsanwaltsschaft mit dem Briefkopf des Amtsgerichts Dresden versehen worden und an den zuständigen Richter, der diesen ohne Beanstandungen am 23. Februar unterzeichnete, weitergeleitet worden.

Mit Hilfe dieses Beschlusses wurden 138.630 Verkehrsdatensätze mit 65.645 Anschlussnummern von den Mobilfunkanbietern an die PD Dresden übermittelt.

Aus diesen Daten wurden 460 Telefonnummern ermittelt, die in Gebieten von Straftaten durch häufiges Telefonieren aufgefallen sind. Diese Datensätze, die auf Grundlage von schweren Straftaten erhoben worden sind, flossen auch in andere Strafverfahren ein. So gechehen bei Personen, die sich den Nazis in den Weg gesetzt hatten. Die PD Dresden argumentiert hierbei, dass auch ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz eine schwere Straftat sei. Damit scheint die PD Dresden eine in der Rechtsprechung hochumstrittene Frage beantworten zu wollen.

 

 

Die Rolle des LKA Sachsen

Das Landeskriminalamt Sachsen spielt im Bericht ebenfalls eine bedeutende Rolle und begeht dabei, genau wie die PD Dresden, erhebliche Gesetzesübertritte.

Begonnen hat alles mit einem gegen Unbekannt eingeleitetem Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (§129 StGB) im Frühjahr 2010. In diesem Jahr wurde erstmals der Naziaufmarsch am Neustädter Bahnhof durch 10.000 Menschen erfolgreich blockiert. Am 17.02.2011 regte das LKA Sachsen eine FZA an, die nicht direkt mit dem Demonstrationsgeschehen am 13. Februar 2011 zu tun hatte. Für zwei unterschiedliche Orte wurde eine Abfrage der Mobilfunkdaten bei Providern beantragt und auf gleiche Weise wie bei der PD Dresden vom Amtsgericht noch am selben Tag genehmigt. Weitere FZA's erfolgten auf Antrag am 25. Februar, rückwirkend für den 18. und 19. Februar 2011 für einen Zeitraum von 48 Stunden und eine am 19. Februar 2011 für 4 Stunden. Alle abgefragten Orte lagen nicht in der Nähe des Demonstrationsgeschehens. Die Hauptdatensammlung wurde allerdings am 19. Februar in der Südvorstadt durchgeführt, eingegrenzt durch Straßennamen in einem Zeitraum von 12 Stunden. Hier rief das LKA Sachsen laut offiziellem Bericht Bestandsdaten von 40.000 Personen ab.

Am 14. April 2011 bittet die PD Dresden das LKA Sachsen zur Übermittlung der von ihnen erhobenen Datensätze. Dieser kommt das LKA nach Verfügung der Staatsanwaltschaft Dresden am 25. Mai nach. Wenige Tage vorher schätzte die Staatsanwaltschaft Dresden ein, dass die Verkehrsdaten nicht für Ermittlungen nach § 21 Versammlungsgesetz (Sprengung einer Versammlung) eingesetzt werden dürfen.

Am 09. Juni wurden die 40.000 Bestandsdaten (896.072 Datensätze) an die PD Dresden übermittelt und flossen in die Ermittlungen nach § 21 Versammlungsgesetz ein. Durch eine Presseanfrage der „taz“ wurden die Vorfälle der FZA bekannt. Jetzt erst wurde auch der sächsische Datenschutzbeauftragte durch den Bundesbeauftragten für Datenschutz darauf aufmerksam gemacht. Auf dessen Anfrage wurde bekannt, dass die Datensätze in 76 Verfahren von Beschuldigten abgeglichen und illegal verwendet wurden.

Weiterhin schlüsselt der sächsische Datenschutzbeauftragte in seinem Bericht die Vorgänge im Handydatenskandal sehr gewissenhaft auf. So wurde bei der Kontrolle der Räumlichkeiten der SOKO 19/2 festgestellt, dass sie, neben den eigenen erhobenen Verkehrs- und Bestandsdaten, über die Daten des LKA Sachsen verfügten.

Nach der Veröffentlichung des gemeinsamen Berichtes durch das Sächsische Justizministerium und das Innenministerium Sachsens (24.06.2011), in dem die Verhältnismäßigkeit der durchgeführten FZA erklärt wurde, benachrichtigte die Staatsanwaltschaft Dresden das LKA Sachsen weitere Erhebungen von Bestandsdaten unverzüglich einzustellen. Am 29. Juni erfolge die Rückübermittlung der Bestandsdaten von der SOKO 19/2 an das LKA Sachsen und eine einstweilige Einstellung der weiteren Erhebung von Bestandsdaten. Die SOKO 19/2 übermittelte dem Datenschutzbeauftragten am 07. Juli die Löschung der Datensätze.

Ebenfalls wird im Bericht erwähnt, dass durch die Staatsanwaltschaft Dresden am 13. Juli eine Aufteilung in geographische Bereiche erfolgte. Dort, wo der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen lag, ist bis zum 13.07. die geringste Anzahl an Bestandsdaten erhoben worden. Dies ist vermutlich mit einem mangelnden Reduzierungskonzept des LKA Sachsen in Verbindung zu bringen.

 

 

Fazit

Der Bericht des sächsischen Datenschutzbeauftragten liest sich wie eine Ansammlung von datenschutzrechtlichen Schauermärchen. Trotz der fortwährenden Beteuerung der sächsischen Behörden, auf dem Boden des Gesetzes verhaftet zu sein, kommt man nicht umhin immer öfter an eine organisierte Rechtsbeugungs-Mafia im Zusammenhang mit Sachsen zu denken. Denn bereits seit 2009 erfolgen FZA's in Zusammenhang zu diversen Anlässen. Die Ermittler setzen das Mittel der Funkzellenabfrage mit einer Selbstverständlichkeit ein, die bundesweit ihresgleichen sucht. In allen Fällen ist eine Rechtmäßigkeit der Maßnahme in Frage zu stellen.

Besonders eindringlich schildert der Bericht den Einschüchterungseffekt, der die Methode des "elektronischen Polizeikessels" bereits jetzt bei Demonstrationsteilnehmern zeigt.

Zur Rechtfertigung dieser Methode der Ermittlungsarbeit bemühen die sächsischen Behörden nunmehr Herr Prof. Battis mit der Anfertigung eines wohlwollenden Gutachtens. Der Jurist ist unter erzkonservativen Politikern wegen seiner stringenten Anwendung und Verteidigung der Extremismustheorie ein beliebter argumentativer Steigbügelhalter. Das Ergebnis seines Gutachtens dürfte daher keine Überraschung werden....

Für uns steht jedoch fest, wir werden uns gemeinsam mit Euch nicht durch die rechtswidrigen Methoden einschüchtern und von unserem Ziel abhalten lassen, den Naziaufmarsch zur Geschichte zu machen. So sehr die Selbstverständlichkeit des Protestes in Hör und Sichtweite zu begrüßen ist, genügt sie nicht einen Naziaufmarsch dieser Größe abzuschaffen. Noch weniger lassen wir uns durch die Umtriebe der sächsischen Behörden in gute und böse Demonstranten spalten.

Wir laden Euch zur Aktivierungskonferenz vom 07.10.- 08.10. nach Dresden ein.

Gemeinsam stellen wir uns ihnen entgegen - seien es Nazis, Verfechter der Extremismustheorie oder Repressionsorgane.