Erstellt: Dienstag, 10. Januar 2012 20:14

Dresden, 10.01.2012 – Modellprojekt Sachsen – diffamieren, isolieren, kriminalisieren. Der Freistaat schüchtert aktiv und bewusst Menschen ein, die sich im Kampf gegen Rechts engagieren

In einer heute stattgefundenen Pressekonferenz wurde deutlich, dass in Sachsen auf verschiedene Art und Weise systematisch engagierte Antifaschistinnen und Antifaschisten eingeschüchtert und in ihrem Engagement behindert werden.

André Hahn erklärte dazu: „Ich habe definitiv keine Straftat begangen. Ich habe gemeinsam mit vielen Abgeordnetenkollegen friedlich gegen Nazis demonstriert. Dass ich als einziger Sachse von mehr als zehntausend Demonstranten nun angeklagt werden soll, ist eindeutig politisch motiviert. Ich rechne nicht mit einer Verurteilung, denn die sächsische Justiz ist zum Glück nicht die letzte Instanz, aber in nahezu 500 Presseberichten wurde von mir teilweise das Bild eines Menschen gezeichnet, der eine Versammlung 'gesprengt' haben soll.  Das erweckt den Eindruck von Gewalttätigkeit, obwohl unser Protest nachweisbar völlig friedlich war. Es ist klar, dass davon etwas hängen bleibt, und das ist ja mit dem Verfahren wohl auch beabsichtigt. Ich lasse mich aber nicht einschüchtern und werde mich auch 2012 an den friedlichen Aktionen gegen den Nazi-Aufmarsch beteiligen.“

Allein das Tragen der Fahne der Verfolgten des Naziregimes führte dazu, dass Marcus Tervooren, Geschäftsführer des Berliner VVN – BdA, nun wegen „aufwieglerischen Landfriedensbruchs“ verfolgt wird. Er soll mit einer Fahne des VVN Ausschreitungen choreografiert haben. Tervooren erinnerte noch einmal daran, „dass der aktive Widerstand, den Nazis durch die Zivilgesellschaft in Dresden erfahren, Trost für die Seele der überlebenden KZ-Häftlinge sei.“

Lothar König, Jenaer Stadtjugendpfarrer, soll mit aufreizenden Rhythmen eine „gewalttätige Atmosphäre“ erzeugt haben. Dafür droht ihm die Staatsanwaltschaft jetzt Gefängnis an. Unter anderem führen die Ermittlungsbehörden den Ton Steine Scherben Song „Keine Macht für niemand“ als Beweis an. Lothar König aber meint, dass „gerade solche Demonstrationen ein Beitrag zur Demokratie sind. Den jungen Menschen wird endlich eine Möglichkeit gegeben, ihre Meinung offen auszudrücken. Die Kriminalisierung der Blockaden sorgt dafür, das Jugendliche sich nicht mehr ernst genommen fühlen.“ 

Kristin Pietrzyk, Anwältin von Betroffenen, machte noch einmal deutlich, dass die Funkzellenabfragen nach ihrem Rechtsverständnis und der Ansicht von Datenschützern und Experten eindeutig rechtswidrig war. Sie ergänzte, dass „die Ermittlungsbehörden eben erst die Informationsfrist auf insgesamt ein Jahr verlängert hätten und damit die Möglichkeit besitzen, an der Öffentlichkeit vorbei riesige Datenbanken anzulegen und systematisch das politische Engagement von Personen zu dokumentieren.“ Angesichts der Absurdität der Verfahren und den rechtswidrigen Ermittlungsbehörden ist deshalb eine Kriminalisierung aller Menschen zu befürchten, die sich dem Naziaufmarsch in den Weg stellen.

Gegen MitarbeiterInnen aus der Pressegruppe des Bündnisses wird seit der rechtswidrigen Razzia und den Festnahmen im Haus der Begegnung am 19. Februar nach §129 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Obwohl die Betroffenen sämtlichen Vorwürfen entschieden widersprechen, dringen Ermittlungsbehörden massiv in ihre Privatsphäre und ihr Leben ein.

Aus allem wird deutlich, dass es keiner Verurteilung bedarf, um die BlockiererInnen zu diffamieren, zu isolieren und zu kriminalisieren. Bar jeder Moral und Verantwortlichkeit übertreten Ermittlungsbehörden und Regierung Grenzen, führen demokratische Prinzipien ad absurdum, höhlen den Rechtsstaat aus und gefährden damit den Kampf gegen Rechts und die Zivilgesellschaft in ihrem Engagement massiv. Dieses Beispiel darf nicht Schule machen. Gemeinsam und solidarisch müssen wir diesem Angriff auf demokratische Grundrechte die Stirn bieten!